"Total begeistert":Licht und Schatten

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Handwerkliches Geschick ist nötig, um die Platte in der Flasche für einen Kerzenständer zu fräsen. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Erfahrungen der Firma Radotec mit Asylbewerbern

Ursula und Rainer Dollinger vom Drehmaschinenhersteller Radotec in Krailling: Die beiden Firmenchefs sind "total begeistert" von ihren Flüchtlings-Azubis. Sie haben inzwischen sogar drei, aus drei verschiedenen Ländern: Eritrea, Afghanistan und Iran. Handwerkliche Berufe stehen bei den Einheimischen nicht besonders hoch im Kurs, weiß Ursula Dollinger. "Es ist wohl ein Phänomen des Landkreises: Wer irgendwie kann, bleibt auf der Schule. Denn die landläufige Meinung ist: Mit Handwerk wird man nichts." Obwohl sie da ganz anderer Meinung ist. Und so sucht die Kraillinger Firma schon lange händeringend Feinwerksmechanikern, die sie ausbilden kann. Kaum ein Deutscher meldet sich.

Die neue Situation mit den vielen Flüchtlingen, die Arbeit oder einen Ausbildungsplatz suchen, kommt dem Kraillinger Betrieb sehr entgegen. Unter den jungen Asylbewerbern sind einige, die nicht nur technisches Verständnis und handwerkliches Geschick mitbringen, sondern auch noch dreidimensional denken können. Der 23-jährige Meba aus Eritrea und der 21-jährige Asam aus Afghanistan "sind die besten Lehrlinge, die wir je hatten", sagt Rainer Dollinger. Und der Betrieb hat schon bis zu 20 Jugendliche ausgebildet. Anders als andere Arbeitgeber haben die Dollingers kaum mit Sprachproblemen zu kämpfen, denn ihre Lehrlinge sind schon vor zwei oder drei Jahren nach Deutschland gekommen und hier zur Schule gegangen. Sie können sogar sehr gute Hauptschulabschlüsse vorweisen, sagt Ursula Dollinger.

Aber die Kraillinger haben nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Einen 22-jährigen Syrer wollten sie im vergangenen Jahr in ihr Team aufnehmen. Der Helferkreis Gauting hatte ihn vermittelt, um ihm die Chance zur Integration zu geben. Doch als nach 14 Tagen seine Frau mit 14 Koffern am Flughafen aufkreuzte, kam er nicht mehr zur Arbeit. "Er war wie von Sinnen, wir waren alle völlig geschockt", erinnert sich Ursula Dollinger. Nach einer Woche ließ er von seinen Betreuern ausrichten, dass er keine Zeit mehr habe.

Ein anderes Mal stellte sich ein Bewerber vor und weigerte sich, Ursula Dollinger die Hand zu geben, weil sie eine Frau ist. "So jemanden schicke ich das nächste Mal sofort raus", sagt sie. "Die Leute müssen unsere Regeln akzeptieren, sonst werden sie sich nicht integrieren."

Doch trotz schlechter Erfahrung haben die Dollingers im vergangenen Jahr einen Mann aus dem Iran als Azubi aufgenommen. Er ist schon seit 2009 in Deutschland und bereits 28 Jahre alt. "Er hat gemerkt, dass er ohne Ausbildung keine Chance hat, einen echten Beruf auszuüben", sagt Dollinger. Der vierte Flüchtling beginnt im September seine Lehre. Außerdem will der Betrieb einen Asylbewerber als Helfer engagieren.

© SZ vom 15.04.2016 / cb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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