Starnberg: Tutzinger Hof:Niedergang eines Traditionsgasthauses

Lesezeit: 2 min

Einst ein Geheimtipp für Promis und Freunde einfacher Küche, heute ein Zeichen gescheiterter Ambitionen: Seit vergangenem Jahr steht der Tutzinger Hof in Starnberg leer.

Sylvia Böhm-Haimerl

Früher ist der Tutzinger Hof in Starnberg eine typisch bayerische Traditionsgaststätte gewesen. Hier fanden Vereinsgründungen statt und wurde Lokalpolitik gemacht, hier fanden sich Promis ein, die einfache, unverfälschte Küche genießen wollten, ohne von Autogrammjägern belästigt zu werden.

Hier isst niemand mehr: Der Tutzinger Hof in Starnberg hat im vergangenen Jahr geschlossen. (Foto: Region.STA)

Doch nach aufwendiger Sanierung war es plötzlich vorbei mit der von den Gästen so geschätzten Gemütlichkeit. Das ambitionierte Konzept - gehobenen Küche und dazu eine Inneneinrichtung, die überall auf der Welt stehen könnte - ging nicht auf. Im vergangenen Jahr machte das Lokal dicht. Seither steht es leer, ein Pächter ist immer noch nicht in Sicht.

"Ich kann leider noch keinen Nachfolger präsentieren", sagte der ehemalige Pächter Rudolf Schall auf SZ-Anfrage. Noch vor wenigen Wochen hatte er optimistisch verkündet, dass es einen neuen Pächter gibt und der Tutzinger Hof ab Juli wiedereröffnet werden soll. "Der Interessent ist leider abgesprungen", erklärte er nun und fügte voller Zweckoptimismus hinzu, dass noch andere Interessenten auf der Kandidatenliste stünden. Auch wenn er nicht sagen könne, wer neuer Pächter wird und wann dieser einziehen werde.

Schall hatte den im Jahr 2008 nach langer Renovierung wiedereröffneten Tutzinger Hof übernommen, musste aber schon nach einem guten Jahr das Handtuch werden. Der Grund: Die Gäste blieben aus. Und bei einer Pacht in Höhe von 6000 Euro monatlich konnte er sich eine längere Durststrecke nicht mehr leisten, so Schalls Resümee. Er betrieb damals mehrere Lokale erfolgreich, darunter auch eines in München. Darüber hinaus ist er in einer Unternehmensberatung für Gastronomie tätig.

Dennoch wollte es in Starnberg nicht so recht klappen. Bevor er den Tutzinger Hof übernahm, war er Wirt im Undosa-Seerestaurant und hatte auch diesen Pachtvertrag vorzeitig beendet. Heute ruht sein Vertrag für den Tutzinger Hof, und über seine Beraterfirma versucht Schall weiterhin einen Nachfolger für das Lokal zu finden. Mit dem Eigentümer des Gebäudes hat er sich darauf geeinigt, dass er die Pachtzahlungen aussetzen kann, bis eine Lösung gefunden wird.

Nach eigenen Angaben hat Schall insgesamt 350.000 Euro in die Inneneinrichtung der Gaststätte investiert. "Einen Großteil werde ich wohl in den Wind schreiben müssen", sagt er. Rückblickend glaubt er, dass sein Konzept, hochwertige Gastronomie in Starnberg anzubieten, wohl "zu hoch gegriffen" gewesen sei.

"Den Gästen war es zu teuer, und sie konnten sich nicht mit dem Stil identifizieren." Auch habe er wegen seiner anderen beruflichen Verpflichtungen nicht persönlich an Ort und Stelle sein können. Als Schall seine Fehler erkannt hatte, war es allerdings zu spät für das Lokal mit Geschichte.

Der Tutzinger Hof war eines der wenigen Traditionsgasthäuser, die die Entwicklung der Kreisstadt zu einem mondänen Ort am Ufer des Starnberger Sees überlebt haben. Wenngleich im Eingangsbereich Bilder von Schauspielern und anderen bekannten Persönlichkeiten mit Widmungen hingen, war es ein Gasthaus für den ganz normalen Bürger. Die Räume waren klein, die Einrichtung war veraltet, aber gemütlich. Und das Essen war gut und für Starnberger Verhältnisse preisgünstig. Und gerade deshalb war das Lokal so beliebt bei den Starnbergern.

Als das Gebäude, das um 1700 erbaut wurde und seither den Tutzinger-Hof-Platz prägte, renoviert werden sollte, wurde jahrelang um eine Lösung gerungen. Die Erstellung eines Gesamtkonzepts gestaltete sich schwierig, weil die Stadt dem Platz zugleich auch ein neues Erscheinungsbild verpassen wollte. Darüber hinaus war der älteste Teil des Gebäudes - die Gaststube mit ihrem Gewölbe und einer Säule in der Mitte - denkmalgeschützt und sollte erhalten werden.

"Es tut mir in der Seele weh, in welchem Zustand sich der Tutzinger Hof heute befindet", hatte der Münchner Bauträger Hubert Haupt erklärt, als er sich dazu entschied, die Sanierung in Angriff zu nehmen. Sein Konzept sollte "gehobene und außergewöhnliche Ansprüche" erfüllen, so die Vorgabe. Das Konzept ging allerdings nur beim Umbau der ehemaligen Hotelzimmer in den oberen Stockwerken in Büroflächen auf. Ein Gasthaus für gehobene Ansprüche indes wollten die Starnberger nicht haben. Denn das ist nichts Besonderes in dieser Stadt.

© (SZ vom 28.06.2010) - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: