Rathaus Starnberg:Stadtrat verklagt Bürgermeisterin

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Der Stadtrat auf Besichtigungstour beim Starnberger Wasserpark: Weder reale Kosten noch der Termin der Fertigstellung sind derzeit bekannt. (Foto: Arlet Ulfers)

Eine Zwei-Drittel-Mehrheit greift zum letzten Mittel und zwingt Eva John vor das Verwaltungsgericht. Sie habe Beschlüsse ignoriert, der Stadt drohe ein Millionenschaden. Beobachter sollen die Sitzungen überwachen

Von Peter Haacke

Groß ist die Unzufriedenheit einer Mehrheit des Stadtrats mit der Arbeit der Starnberger Bürgermeisterin Eva John. Die seit Monaten angespannte Situation eskaliert, sogar der Rücktritt wurde schon gefordert. John zeigte sich davon bislang aber unbeeindruckt. Doch nun nehmen sechs der neun im Stadtrat vertretenen Fraktionen, die rund 20 der 30 Politiker im Gremium vertreten, die Situation nicht länger hin: Vertreter von CSU, UWG, SPD, Grünen, Bürgerliste und Parteifreien erhoben am Donnerstag in einer Pressekonferenz schwere Vorwürfe gegen John und kündigten einen Kommunalverfassungsstreit an - eine Klage gegen die Bürgermeisterin vor dem Verwaltungsgericht. Zudem sollen Stadtratssitzungen künftig unter Beobachtung der Kommunalen Rechtsaufsicht stattfinden.

Unter Moderation von Martina Neubauer (Grüne) referierten Stefan Frey (CSU), Otto Gaßner (UWG), Christiane Falk (SPD), Angelika Kammerl (DPF), Klaus Rieskamp und Franz Heidinger (beide BLS) am Donnerstag noch vor der Bürgerversammlung über die aus ihrer Sicht gravierenden Versäumnisse von Bürgermeisterin John. Die Liste der Kritikpunkte ist noch länger, hier die Aufzählung der wichtigsten Themen :

Liste der Versäumnisse

Gewerbegebiet Schorn: Im Juli brachte der Stadtrat die Entwicklung des Gewerbegebiets Schorn mit Halbanschluss an die Garmischer Autobahn auf den Weg. Das Projekt gilt für die Stadt als zukunftssichernd. John beteiligte sich aber nicht an der Beratung mit dem Investor. Sie besuchte stattdessen lieber ein Schülerkonzert.

Verkehr: "Tunnel bauen, Umfahrung planen", lautet die Kurzformel, die der Stadtrat im Februar beschloss. Doch seither ging kaum etwas voran gegangen. Zwar laufen die Vorbereitungen auf den Bau des B2-Tunnels. Doch die Umfahrung ist bislang kein Thema. Das Protokoll eines Gesprächs mit Vertretern der Obersten Baubehörde ist noch immer nicht verteilt. Und auch die Ergebnisse des Verkehrsentwicklungsplans sind weiter unter Verschluss.

Fachoberschule: 2014 beschloss der Stadtrat, ein Grundstück am Seilerweg für die Fachoberschule zur Verfügung zu stellen. John sollte die Verhandlungen führen, ließ aber eigenmächtig Änderungen in den abgesegneten Vertrag einfügen. Der Kaufvertrag ist bis heute nicht unterschrieben.

Centrum: Der Stadtrat beauftragte die Bürgermeisterin im Juli, das "Centrum" zu kaufen, um die Raumnot im Rathaus zu lindern. Doch Beschlüsse wurden nicht umgesetzt, Termine nicht eingehalten und der Vertragspartner düpiert. Das "Centrum" ist mittlerweile anderweitig verkauft.

Wasserpark: 18 Millionen Euro sollten Attraktivierung und Sanierung des seit Herbst 2015 geschlossenen Schwimmbads kosten. Jetzt zeigt sich: Weder Kostenrahmen noch Wiedereröffnungstermin im Herbst 2017 werden eingehalten. Öffentlichkeit und Stadtrat haben keine Informationen über den aktuellen Stand.

Haushalt: Die Reserven der Stadt sind aufgebraucht. Von einst 23,22 Millionen Euro (2014) bleiben zum Jahresende nur 1,17 Millionen. Wie es 2018 um die Finanzen der Stadt steht, ist unklar: Die Beratungen sollten im September beginnen, bislang existiert aber noch nicht mal ein Entwurf.

Seeanbindung: Ende des Jahres endet die Frist für den Bahnvertrag - ein 100-Millionen-Euro-Projekt, das von John blockiert wird. Entgegen eines Stadtratsbeschlusses sprach sie mit Vertretern der Deutschen Bahn (DB) ohne Beteiligung der Fraktionen. Das Gesprächsprotokoll darüber hält John ebenso unter Verschluss wie ein juristisches Gutachten über die Folgen eines Nichterfüllens des Vertrags. Bei einer internen Untersuchung wurden Vizebürgermeister Klaus Rieskamp geschwärzte und schwarze Akten vorgelegt. Der Fall soll vom Verwaltungsgericht geklärt werden. Die DB hat bereits eine Klage angedroht.

Hanfeld: Monatelang gab es Streit um teerhaltigen Straßenaufbruch, der neben einer Pension gelagert wurde. Eine vereinbarte Planung mit Hanfelds Bürgern, die noch immer nicht wissen, was sie zahlen müssen, wurde stillschweigend geändert.

Amtsführung: "Verachtung für den Stadtrat" und "Missachtung rechtlicher Regeln" (Otto Gaßner) kennzeichnen die Amtsführung der Bürgermeisterin. Die Rechtswidrigkeit betrifft vor allem die Ausführung von Stadtratsbeschlüssen und eine willkürliche Handhabung der geltenden Geschäftsordnung.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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