Starnberg:Kultur im Atombunker

Lesezeit: 2 min

Stadt will Anlage unter der Söckinger Grundschule in Eigenregie übernehmen.Derzeit lagern dort große Teile das Archivs.

Peter Haacke

In Zeiten des Kalten Krieges galten Luftschutzräume, Bunker und unterirdische Krankenhäuser in Deutschland als unentbehrlich. Der Feind stand im Osten und war stets rot, das Szenario eines atomaren Erstschlags beherrschte seit Ende der fünfziger Jahre das Denken von Politikern auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Mittlerweile aber hat sich die Sicherheitslage in Europa zwischen Ost und West deutlich entspannt - und damit scheinen auch Katastrophenschutzeinrichtungen in Bayern entbehrlicher zu sein. Seit der deutschen Wiedervereinigung 1989 jedenfalls zeigte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nur noch mäßiges Interesse am teuren Unterhalt der Anlagen und legte sie zumeist still.

Auch in Starnberg gibt es verschiedene Einrichtungen, die rund 1870 Personen Schutz bieten sollen, etwa im Untergrund des Landratsamtes, der Franziskusschule oder in der Tiefgarage des TSV Starnberg. Im Ortsteil Söcking war unter der Grundschule nach zwei Jahren Bauzeit 1968 sogar ein Hilfskrankenhaus mit einer Kapazität von rund 200 Betten entstanden. Nur ein einziges Mal zogen Ärzte und Krankenschwestern 1988 für eine mehrtägige Übung in den Bunker ein, für seinen eigentlichen Zweck wurde er aber nie genutzt. Längst sind Betten und OP-Ausstattungen entfernt. Die Stadt nutzt die Anlage mit bis zu 80 Zentimeter starken Betonwänden mittlerweile als Depot für Exponate des Stadtarchivs und des Heimatmuseums.

Im Grunde genommen stört das Söckinger Hilfskrankenhaus nicht - wenn jetzt nicht der 2,3 Millionen teure Umbau der Grundschule anstehen würde. Denn der bereits beschlossenen Modernisierung und Erweiterung mit Mensa und Fahrstuhl stehen nun einige Elemente des Bunkers eindeutig im Weg. So müsste etwa das Betonfundament verstärkt werden, zudem behindern ein Notstrom-Aggregat, der Tank sowie ein Sandfilter den geplanten Umbau der Schule.

Die Starnberger würden die gut 750 Quadratmeter große unterirdische Anlage nur allzu gern in Eigenregie übernehmen und anderweitig nutzen - sofern es nichts kostet. Derzeit lagern rund 80 Prozent des Archivbestands der Stadt Starnberg in den Räumen. Denkbar wären aber auch andere kreative Möglichkeiten zur Nutzung.

Die Stadtverwaltung hat nun beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie beim Bayerische Innenministerium um einen Vertragsentwurf gebeten, um "das Bauwerk aus der Zivilschutzbindung zu entlassen", wie es so schön im Amtsdeutsch heißt. Voraussetzung dafür jedoch wäre, dass keine Rückzahlungen für die nicht unerheblichen Zuschüsse der Bundesregierung aus der Vergangenheit fällig wären. Nach bisherigen Informationen des Stadtbauamtes sei darüberhinaus mit keinen größeren Kosten zu rechnen, es bestehen auch sonst keine Verpflichtungen der Stadt gegenüber dem Bund.

© SZ vom 30.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: