Der Neustart der Fußballer:Erste Lebenszeichen

Lesezeit: 4 min

Die FT Starnberg hat harte Jahre hinter sich. Der Verein, dessen Spieler einst in der Bayernliga kickten, war mehr oder weniger pleite. Nun ist die Sanierung gelungen, und der Verein fängt ganz unten, in der C-Klasse, wieder an. Doch die FT will mehr als Fußball sein

Von Otto Fritscher

Bis vor kurzem wucherte noch der Löwenzahn auf dem Spielfeld, immerhin ist der Rasen inzwischen in akkuraten Streifen gemäht. Doch ansonsten rührt sich an diesem trüben Nachmittag wenig hier, im Fußballstadion der FT 09 Starnberg an der Ottostraße. Die Vereinsgaststätte ist geschlossen, im Fenster stehen vier einsame Pokale, die an glorreichere Zeiten erinnern. Vor der Bande am Spielfeldrand sind vergammelte Biergartengarnituren und ein großer, kaputter Sonnenschirm zu sehen. Ist das jetzt Ende Gelände hier? Der Niedergang eines einst stolzen Fußballvereins, der immerhin in der damals dritthöchsten deutschen Liga gekickt hat, und zur neuen Saison ganz unten, in der C-Klasse, anfangen muss?

Nun, so will Franz Holzinger das ganz und gar nicht sehen, der neue Vorsitzende der Freien Turnerschaft, ehemals ein Arbeitersportverein. Er hat vor einem halben Jahr die Führung der FT übernommen, und er spricht von einem "Neuanfang". Er und seine Vorstandskollegen könnten jetzt immerhin "wieder agieren und nicht nur reagieren", wie dies in den letzten Jahren der Fall gewesen sei.

Denn, man kann es nicht anders sagen, das einstige Aushängeschild des Fußballs im Landkreis Starnberg, das aus einer Fusion mit der Spielvereinigung Starnberg entstanden war, ist von Großsprechern an die Wand gefahren worden, die Herrenmannschaft vier Mal in Folge abgestiegen, der Verein stand vor zwei, drei Jahren vor der Insolvenz. "Es sind unangemessene Gehälter an die Fußballer gezahlt worden", sagt Holzinger, der selber nie gekickt hat. Er ist ein Judoka, von Nippon Starnberg. Zur FT ist er über seinen Sohn gekommen, der seit bald zehn Jahren für die FT in diversen Jugendmannschaften gekickt hat und nun zur C-Jugend gehört.

Vor der Sanierung gedeihte der Löwenzahn auf dem Fußballplatz der FT 09. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein Neuanfang also. Erste Zeichen sind sichtbar, nicht nur der gemähte Rasen. Die Tennisabteilung ist wiederbelebt worden, und sie hat die drei Plätze selbst hergerichtet. An diesem Sonntag wird das mit einem Showgame und einem Tag der offenen Tür gefeiert. Immerhin 21 Mitglieder hat die Tennisabteilung, Holzinger weiß das so genau, weil er eine neue Software zur Mitgliederverwaltung eingeführt hat; die Zeit der Karteikarten ist vorbei. Und Holzinger weiß auch, dass die Tennisfreunde mehr ausgegeben haben, als sie sollten. "Künftig prüfe ich jede Ausgabe gegen", sagt er, und das klingt wie der strenge Kassenwart. Auch bei den Angestellten backt der Verein jetzt kleine Brötchen: Der Vertrag mit dem Herrentrainer ist Ende Mai ausgelaufen, jetzt sind nur zwei Reinigungskräfte als Minijobber angestellt.

Holzinger, der einen Karosseriefachbetrieb führt, sieht sich eher als Betriebswirt und Organisator, der den Überblick über Mitgliederstand, Personal und Finanzen hat. 80 000 bis 90 000 Euro beträgt der Jahresetat der FT, und der Verein soll nicht mehr in die roten Zahlen rutschen wie ehedem. Gerettet wurde er nur dadurch, dass die Stadt Starnberg dem Verein das gesamt Sportgelände samt Halle für knapp 600 000 Euro abgekauft hat. Damit konnten alle Verbindlichkeiten getilgt werden. Nun hat die FT das Gelände - immerhin drei Fußballplätze, davon einer mit Kunstrasen, die drei Tennisplätze, Turnhalle, Schießstand und Gaststätte - für 30 Jahre zurückgepachtet.

Im Fenster verstauben vier Pokale. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

449 Mitglieder hat die FT aktuell, davon sind 254 Jugendliche. Die Fußballer stellen mit 324 das Gros der Mitglieder, die meisten sind in den Jugendmannschaften von A bis G im Training. Gegen Abend zieht dann auch mehr Leben auf dem Sportgelände ein, die Jungs trainieren fleißig. Auch vormittags ist was los, da wird die Turnhalle für den Sportunterricht der Grundschüler aus der Schlossbergschule und aus der Mittelschule an der Ferdinand-Maria-Straße genutzt wird. Die ist nötig, weil der Schwimmunterricht wegen des Umbaus des Hallenbads ausfällt.

Fußball, Schulsport, gut, aber da sind auch noch die anderen Abteilungen: die Schützen mit 36 Mitgliedern, die 21 Volleyballer und die 23 Mitglieder der Koronarsportgruppe; nicht zu vergessen die 28 Fördermitglieder. Was ist das schon gegenüber dem mächtigen Platzhirsch TSV Starnberg mit rund 3000 Mitgliedern? Wäre da eine Fusion nicht sinnvoll? "Nein", sagt Holzinger, es sei genug Potenzial für beide Vereine da. Allerdings kann er sich eine bessere Kooperation mit den Fußball-Vereinen aus der Umgebung vorstellen, aus Percha oder Söcking etwa. "Wir haben neben Pöcking sicherlich den besten Platz und die besten Trainingsbedingungen im Landkreis", sagt Franz Holzinger.

Die heruntergekommenen Tennisplätze sind wie das Spielfeld inzwischen wieder hergerichtet worden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Stadt hat nicht nur das Gelände gekauft, sie investiert heuer immerhin 450 000 Euro in die Sanierung von Umkleiden, Toiletten und Duschen. In den nächsten Jahren soll die Modernisierung weitergehen. Derweil behelfen sich die FTler selbst. Zum Beispiel, indem die Verantwortlichen eigenverantwortlich die Gaststätte öffnen, quasi als Vereinsheim, wenn die Aktiven nach dem Sport noch ein Bier trinken wollen. Es war auch Geld da, um die Flutlichtanlage zu reparieren.

Im August beginnt die neue Fußballsaison. Das FT-Team werde aus einer Mischung von A-Jugendlichen und älteren Herren bestehen, kündigt Fußball-Abteilungsleiter Dieter Glavanich an. Denn die meisten Spieler im besten Fußballer-Alter - zwischen 20 und 30 Jahren - haben dem Verein angesichts der versiegten Gehälter und abgesprungenen Sponsoren längst den Rücken gekehrt.

Sie muss deprimierend gewesen sein, die vergangene Saison. Drei Mal brachte die FT nicht die vorgeschriebene Mindestmannschaftsstärke von acht Spielern zusammen. Die Folge: Zwangsabstieg nach ganz unten. Oft kickte Glavanich, 45 Jahre alt, selbst mit, und der älteste Fußballer, der für ein Punktspiel reaktiviert wurde, war immerhin stolze 64 Jahre alt. Niederschmetternd auch das Torverhältnis, 0:15-Niederlagen waren keine Seltenheit, und am Saisonende hatte die FT gerade mal 15 Tore geschossen, aber "hundert-ich-weiß-nicht-was", so Glavanich, kassiert. Warum man so etwas auf sich nimmt, in einem Stadion ohne Zuschauer zu spielen, denn in beiden letzten Punktspielen "war fast niemand mehr da", so Glavanich. Ihn reizt, so klingt es, der schon zitierte Neuanfang. "Wir lassen uns die Fehler der Vergangenheit nicht mehr vorwerfen", sagt der Abteilungsleiter, und: "Wir haben sicher eine längere Aufbauphase vor uns", sagt Glavanich. Aber er sieht Licht am Horizont: "In der C-Klasse dürften wir nicht allzu viele Prügel kriegen."

Franz Holzinger ist der neue Vereinsvorsitzende. (Foto: Arlet Ulfers)

Und wie ist das bei Holzinger? "Der sportliche Erfolg hat für mich nicht oberste Priorität. Dafür sind die einzelnen Abteilungsleiter verantwortlich. Ich will, dass es mit dem Verein wieder insgesamt aufwärts geht." Und dann hat Holzinger noch ein Motiv für sein Engagement: "Für mich ist es befriedigend, an einem Trainingstag auf die Plätze zu schauen und unsere vielen begeisterten Jugendlichen zu sehen. Das entschädigt für vieles." Und: Die Stimmung im Verein wird insgesamt wieder besser. Es beginnt, Spaß zu machen."

Die FT also wieder auf dem Weg nach oben? Ja und nein. "Uns ist auch der Breitensport sehr wichtig", betont Holzinger. Eine - nicht ganz ernst gemeinte - Idee, um den Verein auf breitere Füße zu stellen, hätte er schon: "In Starnberg gibt es keinen Handballverein. Die Tore hätten wir schon da, wir müssten nur zehn Bälle kaufen."

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: