Ortsgeschichte:Die Säulenheiligen

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Die Marienfrömmigkeit ist in vielen Gemeinden des Fünfseenlandes noch lebendig. Jede Statue hat dabei ihre eigene Geschichte

Auf dem Land sind sie noch allgegenwärtig, in vielen Gemeinden des Fünfseenlands stehen sie an markanten Plätzen oder Straßen. Was allgemein als Ausdruck von Volksfrömmigkeit betrachtet wird, hat oft einen ernsten Hintergrund. Sie wurden aus Dank aufgestellt, weil sie ein Dorf oder eine Stadt vor Not oder Brandschätzung bewahrt haben - wie die Mariensäule in München. Dennoch ist ihre kirchenhistorische Einordnung gar nicht so einfach. "Die Mariensäulen waren immer ein deutliches Zeichen des Katholizismus", weiß Diözesankonservator Michael A. Schmid von der Diözese Augsburg, besonders mit dem Aufkommen des Protestantismus. Sie sind wohl Teil der Gegenreformation, bei der die Heiligenverehrung eine wichtige Rolle spielte. Dass die Marienfrömmigkeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts besonders stark zunahm, hat mit Pius IX. zu tun, der die "unbefleckte Empfängnis" zum Dogma erhob.

Buchendorf

Auf einem besonders prominenten Platz auf einer Verkehrsinsel mitten im Ort trohnt die Mariensäule in Buchendorf. Allerdings erwies sich das auch als Nachteil, denn die Abgase der Autos, die jeden Tag daran vorbeikommen, haben dem Material im Lauf der Zeit so sehr zugesetzt, dass vor sechs Jahren eine aufwendige Renovierung nötig wurde. Mehr als 20 000 Euro musste die Gemeinde investieren, auch Spender haben einen erheblichen Betrag beigesteuert. Vier Monate lang war der Sockel verwaist, bis ein Kran die vergoldete Gusseisenfigur wieder auf ihren Platz bei der Kirche St. Michael hieven konnte. Die Mariensäule war 1892 von den Bauern aus Buchendorf gespendet worden, weil sie glaubten, dass die Gottesmutter ihre Fürbitten erhört und eine Nonnenraupenplage in den Wäldern rund um den Ort gestoppt hatte.

Erling

Gegen die vergoldeten Marienstatuen, die auf vielen anderen Säulen weithin sichtbar glänzen, gibt sich die Marienfigur auf dem Erlinger Marienplatz eher bescheiden. Die Figur in Zinkguss steht hier seit 140 Jahren. Erstellt wurde sie im Jahr 1876 zum Gedenken an den Krieg von 1870/71. Sie zeigt Maria, die Patronin Bayerns mit dem segnenden Jesuskind auf dem Arm. Ursprünglich umgab ein Brunnen das Denkmal. In den 60er Jahren wurde er zugunsten eines neuen Sockels mit Stufen entfernt. Der Marienplatz verkam zum Parkplatz. Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Platz rund um die Säule im Zuge einer Dorferneuerung neu angelegt und begrünt. Ihren großen Auftritt hat sie jedes Jahr im Mai. Eine vier Meter hohe grüne Krone aus Moos und Tannendachsen schmückt dann die Erlinger Mariensäule.

Noch heute ist eine kleine Gruppe Erlinger Bürgerinnen vier Tage damit beschäftigt, Moos und Taxen im Wald zu sammeln und das große Holzgestell zu schmücken. Zu guter Letzt steigen sie sogar auf die Hebebühnen des Bauhofs.

Seefeld

Sie ist schon etwas ganz Besonderes, die Marienstatue in Seefeld. Nicht nur, dass sie größer ist als die Figur am Münchner Marienplatz. Die Madonna im Zentrum von Oberalting ist ohne Jesuskind dargestellt. Sehr selten in Bayern, aber üblich in Frankreich. Und von dort kommt die Statue auch her, genauer gesagt aus Lyon. Gießen lassen hat die Maria - eine Kopie der vergoldeten Marienstatue auf dem Glockenturm der Basilika Notre Dame de Fourvière - die Münchner Firma Kustermann, gekauft hat sie am 4. April 1873 der damalige Seefelder Schlossherr Graf Maximilian Konrad aus dem Hause Toerring, der sie wiederum der Pfarrei Oberalting spendete. Im vergangenen Jahr wurde die 500 Kilogramm schwere, 2,16 Meter große und 75 Zentimeter breite Madonna vom Sockel geholt und restauriert. Nun strahlt sie wieder.

Tutzing

Sie schimmert golden und ist schon von weithin sichtbar für alle, die sich vom See aus Tutzing nähern. Die Mariensäule auf dem Moosgrund vor dem ehemaligen Hofmarkschloss ist eines der Wahrzeichen der Seegemeinde seit dem Jahr 1712. Damals war wieder einmal Krieg. Es ging um die spanische Krone, auf die sich die Herrscherhäuser der Bourbonen, Habsburger und Wittelsbacher Hoffnung machten. Soldaten, meist gedungen, kämpften gegeneinander für die politischen Interessen ihrer Souveräne. Dabei hielten sie sich schadlos an der Bevölkerung, plünderten, raubten und zerstörten im fremden Gebiet. Wie ein Wunder nahm es sich da aus, dass die kaiserlichen Österreicher Tutzing verschonten. Aus Dankbarkeit für die Errettung aus der Bedrängnis stifteten die Gözengriens von der Hofmark Tutzing eine zunächst hölzerne Marienstatue und Säule. 1881/82 wurde sie durch die heutige Patrona Bavariae ersetzt. Die vergoldete Eisengussfigur mit Säule entstammt der Mayer'schen Hofkunstanstalt in München. Die Tutzinger halten ihr historisches Denkmal liebevoll in Ehren. 1951, 1980 und zuletzt 2012 zu ihrem 300-jährigen Bestehen restaurierten sie ihre Mariensäule aufwendig. Jeden Mai ist die Madonna Mittelpunkt der Marienandachten.

Bernried

Seit rund 500 Jahren verehren die Bernrieder die Madonnenfigur "liabwoanad Frau". Der Legende nach wurde die wertvolle Pieta damals nach einem Sturm ans Seeufer geschwemmt. Die Bernrieder waren tief berührt von dem, von tiefem Schmerz gezeichneten Antlitz der Madonna. Da die Figur offensichtlich von Künstlerhand gefertigt war, entschieden die Bernrieder, sie in die Hofmarkskirche zu bringen. Doch am nächsten Tag war die Madonna verschwunden. Man fand sie in der Seekapelle, einer kleinen Kapelle direkt am Seeufer, die nur von Fischern und Schiffern aufgesucht wurde. Als man die Figur wieder zurückbringen wollte in die Kirche, flossen dicke Tränenströme über das schöne Gesicht. Also ließ man sie in der Seekapelle und die Madonna hörte sofort auf zu weinen. Weil sich die Spuren der Tränen jedoch tief eingegraben hatten in das Antlitz der Madonna, nannte man sie von da an "liabwoanad Frau". Jahrhunderte lang stand sie in der Seekapelle, bis dort vor etwa 50 Jahren eingebrochen wurde. Die Bernrieder fürchteten um sie und verwahrten sie seither zusammen mit anderen Kirchenschätzen in der Pfarrkirche St. Martin. Nur einmal im Jahr brachte man sie im Rahmen einer Lichterprozession an den See. Vor zwei Jahren wurde die Seekapelle einbruchsicher umgebaut und die Madonna durfte wieder zurück an den Platz, den sie sich vor 500 Jahren selbst ausgesucht hatte. Jedes Jahr an Mariä Himmelfahrt können die Gläubigen ihre Madonna besuchen. Dann wird die Kapelle geöffnet und das Sicherheitsgitter entfernt. Der Altar wird mit Blumen geschmückt und einem roten Teppich.

Weßling

Sie ist ein Opfer des Straßenverkehrs. Einst stand die Mariensäule mitten in der Hauptstraße von Weßling, dann wurde sie an den Rand gerückt. Das soll sich mittelfristig ändern - wenn die Hauptstraße verkehrsberuhigt ist Die vergoldete Statue mit dem Heiligenschein ist aus Gusseisen und stammt aus dem Jahr 1876. Sie wurde von Rosalia Dallmeyr gespendet. Sie war die ledige Schwester des Weßlinger Wirts Georg Dallmeyr, der den Gasthof Post auf der anderen Straßenseite betrieb. Seltsamerweise sind dies die einzigen historischen Fakten, die Ortsgeschichtsforscher und Sammler Erich Rüba belegen kann. Auffallend ist, dass die Figur nicht mehr dem Vorbild der barocken "Patrona-Bavariae-Typus" folgt wie die Figur in München, sondern sich ikonografisch an den neuen Gnadenbildern des 19. Jahrhunderts orientiert.

Gilching

Die Gilchinger Muttergottes ist eine ganz spezielle Variante und ungewöhnlich für Südbayern. Es handelt sich um eine Schutzmantelmadonna, deren Vorbild sich wohl in La Salette in Frankreich findet, wie der Augsburger Diözesankonservator Michael A. Schmid glaubt. Sie ist ohne Jesuskind und symbolisiert somit, dass sie aktive Beschützerin der Menschen ist. Sie bewahrt diese aber weniger vor Unglück auf Erden, sondern tritt als Fürbitterin vor dem himmlischen Gericht auf. 1887 wurde sie von Kirche, Gemeinde und Bevölkerung gespendet. Die Säule wurde an einer damals zentralen Stelle aufgestellt: Ursprünglich blickte die Maria auf das Gasthaus zur Post, an dem die Postkutschen hielten, die bis zur Bau der Bahnstrecke Pasing-Herrsching im Jahr 1903 das zentrale Verkehrsmittel waren. In ihrer unmittelbaren Umgebung waren zeitweise die Gendarmeriestation und das erste öffentliche Telefon platziert, berichtet Archivarin Ursula Lochner. 1958 wurde die Figur umgesetzt und blickt seitdem nicht mehr über die Brucker Straße, sondern über die Weßlinger Straße - um ihr den Anblick der Betrunkenen zu ersparen, wie viele Gilchinger im Altdorf glauben.

Oberpfaffenhofen

Sie steht im Ortszentrum, an der Einmündung der Argelsrieder Straße in die Gautinger Straße. Auch bei ihr handelt es sich um eine Schutzmantelmadonna, diesmal mit Jesuskind, was ihre Rolle als Gottesmutter verdeutlichen soll. Sie wurde 1883 von Maria Dallmeyr, der zweiten ledigen Schwester des Post-Wirts zu Weßling Georg Dallmeyr gespendet, wie aus den Unterlagen, die der Weßlinger Sammler und Archivar Erich Rüba kennt, hervorgeht. 428 Mark gab sie aus.

© SZ vom 13.08.2016 / csn, manu, pro, rzl, sbh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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