Rathausmobiliar:Aussitzen

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Was darf ein Stuhl in einem Sitzungssaal kosten? Das ist die Frage, die sich nicht nur Gilchinger stellen, seit dort ein Angebot für 2500 Euro pro Stück vorliegt. Es geht viel billiger und einfacher, wie ein Blick in in einige andere Rathäuser im Fünfseenland zeigt

Von SZ-Autoren

Vier Stunden können es schon werden. Das zieht sich dann im Sitzungssaal, manchmal bis kurz vor Mitternacht. Gerade in diesen Wochen, wenn Gemeinderäte mit den Haushaltsberatungen befasst sind. Da ist es gut für die Kommunalpolitiker, wenn sie wenigstens einigermaßen bequem sitzen. Wie teuer das bequeme Sitzen sein darf oder muss, ist Thema im Fünfseenland, seit bekannt wurde, dass die Gilchinger Stühle für 2500 Euro kaufen wollen, die für Sitzungssaal im neuen Rathaus vorgesehen sind.

Allerdings ist da das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn bislang hat der Gemeinderat in Gilching den Zuschlag für die insgesamt 75 000 Euro von 30 edlen Stühlen als zu hochpreisig abgelehnt. Die anbietende Firma aus München wehrt sich aber gegen diesen Beschluss, weshalb nun die Vergabekammer Südbayern darüber entscheiden muss, die der Regierung von Oberbayern angehört. Eine Entscheidung werde voraussichtlich im Februar erfolgen, teilte am Dienstag die Regierung mit. Im Gilchinger Stühle-Streit werfen Gemeinderäte dem Projekt-Planer Professor Horst Teppert vor, die Ausschreibung auf diesen Luxusdesign-Anbieter offenbar zugeschnitten zu haben. Teppert wiederum betont, dass alles zuvor mit der Verwaltung abgestimmt worden sei.

Matthias Vilsmayer von den Freien Wählern hat sich einstweilen umgehört, was andere Bürgermeister für ihr Mobiliar bezahlt haben. Die Beträge reichen von maximal 200 Euro in Weßling und Eichenau bis zu 350 Euro in Feldafing, wie es in der Umfrage unter Berufung auf Rathauschef Bernhard Sontheim heißt. Die Starnberger SZ hat sich auch ein bisschen umgesehen. Demnach stehen mit die teuersten Stühle in Gauting.

Gauting

Dort sitzen die Gemeinderäte auf einem Ciello Konferenzdrehstuhl auf Rollen mit Chromgestell und Lederbezug. Allerdings macht die Rathausspitze ein Geheimnis aus dem Preis. Wegen der Bestimmungen in der Vergabeordnung für Lieferungen und Leistungen (VOL) dürfe er die genaue Summe nicht nennen, erklärte der Geschäftsleitende Beamte Joachim Graf. Der Listenpreis liegt heute bei 1700 Euro. Im Haushalt von 2008 waren 1000 Euro pro Stück veranschlagt waren. Ganz so viel die Gemeinde aber nicht bezahlt, versichert Graf. Verhandlungsgeschick eben. Eine Erneuerung war jedenfalls überfällig, denn nach 40 Jahren schaute aus den alten Stühlen teilweise schon der Schaumgummi heraus. Jetzt wird bequemer debattiert, dafür länger als früher. Stundenlang wurde auch Dienstagabend im Haushaltsentwurf nach Einsparmöglichkeiten gesucht.

Krailling

Fast schon spartanisch sehen die Stühle im Kraillinger Sitzungssaal aus, wenn man die ihrer Kollegen aus den Nachbargemeinden betrachtet. Als das Rathaus 2010/11 mit Hilfe des Konjunkturpakets II saniert wurde, entschied der Gemeinderat, die alten grünen Polsterstühle und den schweren dunklen Ratstisch in der Mitte des Sitzungssaals auszumustern und statt dessen etwas Moderneres anzuschaffen, um so frischen Wind in den Saal zu lassen. Insgesamt 80 000 Euro hatte der Gemeinderat für das Mobiliar im Rathaus zur Verfügung. Man ließ verschiedene Modelle kommen und saß eine Sitzung lang Probe. Auch wenn die Stühle vielleicht nicht so protzig daher kommen, unbequem sind sie nicht. Kürzer dauern die Sitzungen seither aber leider auch nicht.

Herrsching

Vor drei Jahren haben die Herrschinger ihren neu errichteten Sitzungssaal im Anbau des Rathauses bezogen. Neue Stühle wurden nicht angeschafft. "Warum auch? Die alten waren doch noch in Ordnung", erklärt der Geschäftsleitende Beamte Günther Pausewang. 2005 hat die Gemeinde die schwarzen Freischwinger mit dem silbernen Chromgestell für den ehemaligen Sitzungssaal angeschafft. Sie waren Ersatz für die alten gepolsterten Holzstühle. "Die hatten wir schon öfter leimen müssen", erinnerte sich Pausewang. 380 Euro hat damals ein Sessel gekostet. Die Investition für die rund 30 Stühle hat sich gelohnt. Auch nach 15 Jahren musste noch kein einziger repariert werden "und man sitzt auch sehr gut", lobte Pausewang.

Wörthsee

Recht kommod sitzen im Wörthseer Rathaus nicht mehr nur die Gemeinderäte, sondern auch die Besucher. Für Zuhörer und Gäste hat die Gemeinde 50 neue gepolsterte Stühle angeschafft, 35 ohne Lehne zu je 69,20 Euro, 15 mit Lehne für 79,30 pro Stück. Noch bequemer haben es natürlich die Gemeinderäte, die auch länger sitzen müssen. 24 Konferenzsessel zu je 449 Euro schmücken den Sitzungssaal. Bei 16 Gemeinderäten plus Bürgermeisterin gleich 24 Stück? Das hat schon seinen Grund, sagt Rathauschefin Christel Muggenthal: Von der nächsten Wahlperiode an bekommt Wörthsee nämlich 20 Gemeinderäte. Außerdem bräuchten auch die Planer und Juristen Platz, die an den Sitzungen teilnehmen. Zu den Stühlen wurden auch die passenden Tische geordert. Zehn davon sind 80 mal 140 Zentimeter groß und kosteten je 485 Euro, vier sind ein bisschen größer (80 mal 160 Zentimeter) und kommen auf 526 Euro pro Stück. Macht summa summarum: 21 341,50 Euro netto. Vom alten Mobiliar trennte sich die Gemeinde, weil die Besucherstühle unbequem und zu wenig waren und die großen Tische sehr schwer. Weil es im Rathaus kein Trauungszimmer mehr gibt - dort rechnet der Kämmerer -, muss der Sitzungssaal immer wieder umgeräumt werden. Eine mühsame Arbeit für die überwiegend weiblichen Mitarbeiter. Entsorgt wurden die alten Möbel nicht. Sie leisten nun im Pfarrheim ihre Dienste.

Tutzing

Das Gestühl, auf dem die Tutzinger Ratsmitglieder Platz nehmen, könnte von König Artus' Tafelrunde stammen. Geradezu mittelalterlich muten die massiven Sessel mit ihren hohen Holzlehnen und dem königsblauen Samt an. Was die Sitzmöbel gekostet haben und wie alt sie sind, vermag im Rathaus keiner zu sagen. Ganz sicher geben sie schon seit mindestens 80 Jahren Gemeinderäten die profunde Grundlage, auch stundenlanges Palaver auszusitzen. Laut Archivarin Roswitha Duensing könnten die Stühle von 1924/25 stammen, dem Baujahr des alten Rathauses. "Die innere Ausstattung des Gebäudes ist der Neuzeit entsprechend und das Mobiliar in den reichlich bemessenen Amtsräumen modern und gediegen", heißt es in einem Zeitungsbericht über die Einweihung 3. Mai 1925. Nun ja, ob damit die schweren, historisierenden Sitzmöbel gemeint sein können? Oder sind die doch ein Relikt der Umgestaltung von 1934/35, als der Sitzungssaal unter anderem mit einem Gemälde von der Fischerhochzeit ausgestattet wurde? Was jedoch feststeht: Dieses Gestühl lässt sich nur schwerlich transportieren, ist nicht stapelbar und wohl kaum über Internet zu beziehen.

Dießen

Der Dießener Marktgemeinderat hat der Versuchung neue Stühle anzuschaffen: Als vor sechs Jahren der Sitzungssaal im Rathaus umgestaltet werden sollte, stand zunächst auch neues Mobiliar für Gemeinderäte, Verwaltungsmitarbeiter und Zuhörer auf dem Plan. 29 000 Euro wollte man sich die neuen Tische für die Ratsrunde kosten lassen, 21 500 Euro waren für die insgesamt 72 Sitzgelegenheiten im Raum vorgesehen. Doch Ende 2009 stand der Dießener Haushalt vor allem im Zeichen des Schuldenabbaus, und man beschloss deshalb, die von einem Schreiner für die Ewigkeit gefertigten Eichenmöbel weiter beizubehalten. Nicht einmal die von der Innenarchitektin nach hartnäckigen Verhandlungen präsentierte Sparversion genehmigte sich der Gemeinderat: Dabei hätte er für 12 000 Euro schließlich zwölf verkabelte Tische und dazu 29 Freischwinger-Stühle erhalten.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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