Kleinkraftwerke:Alles im Fluss

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Wie vier Unternehmer aus dem Landkreis mit Kleinkraftwerken in Flüssen und im Meer Strom erzeugen. Die Erfindungen sind in mehreren Kontinenten im Einsatz und versorgen Haushalte und Handys mit Energie

Von Otto Fritscher

Wasser ist im Fünfseenland ein prägendes Element. Die Seen sind nicht nur schön anzusehen, sie bieten auch vielerlei Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten, vom Schwimmen über das Stehpaddeln bis zum Segeln. Zudem prägen Flüsse und Bäche die Landschaft; auch das Wasser, das über Brunnen aus der Tiefe gewonnen wird, ist als Trinkwasser unverzichtbar. Es gibt sogar mehrere kleine Wasserkraftwerke hier: etwa an der Würm beim Forsthaus Mühltal, und in Martinsholzen (Gemeinde Berg) wird der Lüssbach zur Stromgewinnung angezapft. Und es gibt Unternehmer, die an Wasserkraftanlagen tüfteln und damit dort Strom erzeugen wollen, wo es zwar Wasser, aber keine Infrastruktur mit Stromnetzen gibt: in Sambia, Indien und im Amazonasgebiet zum Beispiel. Wir stellen vier Menschen vor, die ihre Ideen bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (Gwt) präsentiert haben.

Die Kraft der Wellen

Manche Ideen scheinen zu kommen, wenn man nicht gerade intensiv nachdenkt, sondern sich entspannt. So war es zumindest bei Philipp Sinn. "Ich bin gerne am Meer, und beim Segeln ist mir aufgefallen, dass in den Wellen ganz viel Power drinsteckt, die einfach verpufft", erzählt der Gautinger. Das war bei einem Segeltrip im Jahre 2006, und es hat eine Weile gedauert, bis aus dieser beiläufigen Beobachtung eine veritable Geschäftsidee geworden ist. Mittlerweile ist Sinn Geschäftsführer der von ihm gegründeten Sinn Power GmbH, deren Beiname "Wave Technology" die Geschäftsidee gut erklärt: aus der Kraft der Meereswellen Strom zu gewinnen. "2014 ging es richtig los", sagt Sinn. Und das funktioniert tatsächlich, wie eine Pilotanlage in Heraklion auf Kreta beweist. Dort sind an der Hafenmauer Schwimmkörper befestigt, "die wie große Donuts aussehen", sagt Sinn, ein studierter Ingenieur für Umwelt- und Energietechnik. Durch die Brandung werden sie nach oben und unten bewegt, aber auch vor und zurück, wenn die Wellen sich zurückziehen und neue anbranden. Diese Bewegungen werden dann in sogenannten Lineargeneratoren in Strom umgewandelt. Jedes "Modul", wie Sinn die Schwimmkörper nennt, hat eine Leistung von zehn Kilowatt, die kleinste Anlage aus mehreren Modulen leistet 210 Kilowatt. Sinn sagt, dass damit rund 40 Haushalte versorgt werden könnten.

Doch noch ist es nicht soweit: Die einzelnen Komponenten müssen getestet und verbessert werden, denn Salzwasser ist ein sehr aggressives Medium. Und die Entwicklung des - man möchte fast sagen - kleinen Gezeitenkraftwerks hat schon viel Geld verschlungen, das Sinn von Kapitalgebern eingesammelt hat. Auch die letzte Finanzierungsrunde war erfolgreich. 4,7 Millionen Euro haben Investoren dem Startup überlassen, eine Millionen ist schon bei der Entwicklung der Prototypen und bei den Tests im Wellenkanal verbraucht worden. Auch die Bundesregierung hat die Wellentechnologie finanziell gefördert. Seit 2016 gibt es nun die Versuchsanlage in Heraklion. Sinn unterhält dort auch ein Büro. "Mit der jüngsten Kapitalspritze können wir vier bis fünf Jahre weiterarbeiten", sagt Sinn. Zu einem späteren Zeitpunkt kann er sich die Wellenkraftwerke auch an der Nordsee vorstellen.

Eine Idee aus Peru

Karl Reinhard Kolmsee beschäftigt sich mit "Kleinstkraftwerken", wie er sagt. Sie dazu dienen, Dörfer mit Energie zu versorgen, die bisher an keine Stromnetz angeschlossen sind, in denen es aber einen Fluss gibt. "Wir benützen die kinetische Kraft des Wasser", erklärt Kolmsee, Geschäftsführer der Firma "Smart Hydro Power" im Feldafinger Ortsteil Garatshausen. Die Fließgeschwindigkeit wird ausgenutzt, um mittels einer Turbine Strom zu erzeugen. "Die Idee hat mir ein Kleinbauer aus Peru nahegebracht. Er hat mir gesagt, er bräuchte ein Gerät, das aus dem Amazonas Strom erzeugt", erinnert sich Kolmsee. Das war im Jahr 2009. Die Kleinstwasserkraftwerke haben es mit einer weit verbreiteten Konkurrenz als Stromlieferant zu tun: Dieselaggregate. "Für solche Kleinstwasserkraftwerke gibt es nur sehr wenige Anbieter", sagt Kolmsee. Seine Anlagen hat er mittlerweile immerhin schon in Indonesien und im Amazonas installiert. Am schwierigsten war es, in Deutschland eine kleine Versuchsanlage am Rhein zu bauen. "Drei Jahre hat es gedauert, bis ich eine Genehmigung auf zwei Jahre befristet für zwei Kleinturbinen bekommen habe", berichtet Kolmsee. Vor den Turbinen sollte ein extrem aufwendiger Treibgutschutz montiert werden, der den Wasserdurchsatz entscheidend gehemmt "und damit die ganze Anlage ad absurdum geführt hätte", so Kolmsee. Wirtschaftlich hat sich Smart Hydro Power im Markt etabliert. "Mittlerweile leben wir immerhin schon aus dem Cashflow von der Hand in den Mund", sagt Kolmsee und lacht. Er glaubt an die Idee vom "water to wire", also aus dem Wasser Elektrizität zu gewinnen. Geschäftsziel sei es, die Turbinentechnologie auch für industrielle Zwecke nutzbar zu machen. Ein Pilotprojekt dafür findet in einer Mine in Indien statt.

Alte Mühle reaktiviert

"Es gibt Menschen, die zu viele Bedenken haben", sagt Joachim Siebenwirth. Er bezieht dies wohl auch auf den schwierigen Prozess, in seinem Anwesen in Martinsholzen, einem Aussiedlerhof im Gemeindegebiet von Berg, am Lüssbach ein Wasserkraftwerk zu bauen. Was nicht ungewöhnlich wäre, weil hier schon mal eine Mühle stand, die erstmals im Jahr 1439 erwähnt wird. Doch die Mühlen der Behörden mahlen langsam, und so dauerte es lange, bis alle erforderlichen Genehmigungen vorlagen. 2013 hatte Siebenwirth den Antrag auf Wasserrecht gestellt, drei Jahre später ging das Kraftwerk in Betrieb. Die Durchströmturbine, so der Fachausdruck, wird vom Wasser aus einem 1,2 Kilometer langen Mühlkanal gespeist, der vom Lüssbach abzweigt. Siebenwirth musste eine Fischtreppe bauen; aus dem Mühlkanal wurden 1000 Kubikmeter Schlamm entnommen und als Sondermüll entsorgt. Die Bruttofallhöhe des Zulaufs beträgt 7,6 Meter, die Leistung der Turbine 21,6 Kilowatt. Im Juni 2016 ging die Anlage in Betrieb - und 2017 wurde Siebenwirth mit dem Energiepreis des Landkreises ausgezeichnet.

Auf die Idee, die Wasserkraft zu reaktivieren, hat Siebenwirth "die hohe Stromrechnung" gebracht. "Wir sind ein Aussiedlerhof, haben einen Forstbetrieb und einen Pferdehof dazu", erklärt er. Nun hofft Siebenwirth, dass immer genug Wasser für den Betrieb der Turbine im Lüssbach ist. "Seitdem habe ich einen ganz anderen Bezug zum Regen", sagt er und lacht.

Kraftwerk für den Rucksack

"Blue freedom" heißt das Unternehmen, in das der Wörthseer Benedict Padberg kurz nach dessen Gründung eingestiegen ist und auch investiert hat. Die Idee ist nicht neu, aber sie wird anders umgesetzt: Strom aus fließenden Gewässern zu gewinnen. Das Kraftwerk von Blue freedom ist allerdings so klein, dass es problemlos in einem Rucksack verstaut werden kann. Eine Miniturbine wird in den Fluss oder Bach gehängt, die Elektronik sitzt im Gehäuse, an das wiederum ein Handy oder ein Tablet angeschlossen werden kann. "Um solche Geräte zu laden, reicht unser Minikraftwerk mit einer Leistung von maximal zehn Watt und einem Durchmesser von ungefähr 20 Zentimetern aus", sagt Padberg. Seine Vision: Wenn es einmal von Satelliten ausgestrahltes Internet gibt, sei der Zugang zum Netz auch in abgelegenen Gegenden möglich. Gegründet haben zwei Techniker die Firma. Kernstück des Kraftwerks ist laut Padberg "eine Art Mühlrad, keine Turbine", so dass es auch in flacheren Gewässern eingesetzt werden kann. Über einen Online-Shop kann man das Kraftwerk seit einem Jahr schon erwerben: Kaufpreis 299 Dollar. In den USA ist es bereits in ausgewählten Outdoor-Shops erhältlich. Zurzeit wird an einer leistungsstärkeren Version getüftelt, die 50 Watt leisten soll. Das erste Kapital für die Entwicklung stammte aus einem Crowd-funding-Projekt, wurde also von Menschen aus 60 Nationen eingesammelt, die an die Produktidee geglaubt haben. Schnell waren 200 000 Dollar beisammen.

"Wir haben aber bald festgestellt, dass das nicht reicht, weil allein ein Werkzeug fürs Herstellen des Gehäuses 80 000 Dollar gekostet hat", so Padberg. Geldgeber zu finden, sei dann schwierig gewesen, "weil wir vielen Investoren zu analog waren. Die geben lieber Geld für irgendwelche digitalen Projekte." Schließlich kamen doch 1,1 Millionen Euro zusammen. Mittlerweile haben die Gründer ihre Firma an einen amerikanischen Investor verkauft, der über größere Finanzmittel verfügt.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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