Seefelder Ortsbild:Versteckt hinter hohen Hecken

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Die Gemeinden tun sich schwer, allzu hohe Zäune zu beseitigen, denn die Anwohner sind gleich mit dem Rechtsanwalt zur Stelle. Wörthsee und Starnberg haben Satzungen, die Einfriedungen regeln sollen

Von Christine Setzwein, Seefeld

Meterhohe Thujenhecken auf der einen Seite, undurchsichtige Holzzäune auf der anderen - manche Straßen im Fünfseenland wirken mittlerweile wie Schluchten. Das ärgert Spaziergänger und stört Bürgermeister und Gemeinderäte. Schon lange und immer wieder. Auch im Umwelt- und Energieausschuss der Gemeinde Seefeld ist das leidige Thema am Dienstagabend lang und breit erörtert worden. Dabei ging es eigentlich nur darum, wie man die Seefelder für heimische Gehölze, Pflanzen und Blumen in ihren Gärten begeistern könnte.

Kann denn die Gemeinde nichts unternehmen gegen diese meterhohen Thujenhecken und Holzzäune, die wahrlich nicht zur Verschönerung des Ortes beitragen, wollte Horst Kalski, der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Hechendorf wissen. Die Antwort dürfte ihm nicht gefallen haben, denn eigentlich kann die Gemeinde gar nichts machen, außer den Grundstücksbesitzern gut zureden. Seefeld hat keine Ortsgestaltungssatzung, regelt das Ortsbild über die Bebauungspläne. Ein Instrument, das auch seine Grenzen hat: "50 Prozent unserer Kommunen in Bayern sind mit Bebauungsplänen überzogen, 50 Prozent nicht", weiß Jürgen Busse, ehemaliger Geschäftsführer des Bayerischen Gemeinderats und Baurechts-Experte. Die Baukontrolle, darauf weist Busse hin, hat das Landratsamt. Und das "prüft innerorts nur die Häuser, um Zäune kümmern sich die nicht".

Eingezwängt zwischen Zäunen: die Günteringer Straße in Hechendorf. (Foto: Ulfers)

Eine Ostgestaltungssatzung haben zum Beispiel Starnberg und Wörthsee. In der Kreisstadt sind danach als Einfriedungen nur Holzzäune, schmiedeeiserne Zäune, Hecken aus heimischen Gewächsen und Drahtzäune zulässig, keine geschlossenen Bretterwände oder Mauern. An der Straßenseite dürfen die Zäune nur 1,20 Meter hoch sein, lebende Hecken sind bis zu einer Höhe von 1,80 zulässig, müssen aber niedriger gehalten sein, wenn "sonst der Blicke auf die Landschaft für die Öffentlichkeit beeinträchtigt würde".

So schießen vor allem in Neubaugebieten, kaum sind die neuen Bewohner da, Holzzäune und eintönige Hecken in die Höhe, werden Terrassen und Balkone mit großen Pflanzkübeln und Trennwänden vor unerwünschten Blicken geschützt. Manche Häuser gleichen eher Trutzburgen. "Das bringt die Verdichtung mit sich", sagte Gemeinderat Peter Schlecht im Seefelder Umweltausschuss. "Die Leute wollen ihre Privatsphäre." Er muss es wissen. Als Besitzer eines Holzfachhandels verdient er am Verkauf von Holzzäunen. Wie sehr sich das Ortsbild verändert hat, zeigt der Blumenschmuckwettbewerb in Hechendorf. Vor 20 Jahren, erzählt Heinrich Vermathen vom Obst- und Gartenbauverein, "konnten wir noch 30 Gärten in Güntering von der Straße aus fotografieren. Heute bringen wir keine 15 mehr zusammen."

Die Gemeinde Tutzing will jetzt einen Präzedenzfall durchklagen. Als Beispiel für eine völlig übertriebene Einfriedung sieht Bürgermeister Rudolf Krug ein Anwesen am Starnberger See mit einer fünf Meter hohen Hecke und zusätzlichen Mauern. Aber den Rückbau durchzusetzen, ist nicht ganz einfach, weil die jeweiligen Hausbesitzer sofort mit ihren Rechtsanwälten zur Stelle seien und Bestandsschutz forderten.

Darum scheuen sich viele Kommunen, sich mit den Bürgern anzulegen. Schon beim Rückschnitt von Sträuchern und Bäumen an Gehwegen gibt es immer wieder Probleme, obwohl es um die Verkehrssicherheit geht. Manche Gehsteige, egal ob in Seefeld oder Gauting, sind kaum mehr passierbar. Alle Jahre wieder appellieren die Kommunen an ihre Bürger, überhängende Äste von Bäumen und Sträuchern zurückzuschneiden. In Wörthsee schreibt die Ortsgestaltungssatzung vor, dass an öffentlichen Straßen und Gehwegen eine Durchfahrts- und Durchgangshöhe von mindestens vier Metern freizuhalten ist.

Hohe Zäune schützen vor neugierigen Nachbarn und vermitteln Sicherheit. Doch dieses Gefühl hat sich gerade in den vergangenen Monaten oft als trügerisch erwiesen. Auch Einbrecher fühlen sich hinter mächtigen Thujenhecken und hohen Bretterwänden sicher und können dort unbeobachtet ihrer Tätigkeit nachgehen, wie die steigende Zahl von Delikten im Fünfseenland zeigt.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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