Seefeld:Erst Schatten, dann Licht

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Ein Konzert mit "Licht und Schatten": Korbinian Altenberger, Hisako Kawamura und Ulrich Witteler (von links). (Foto: Georgine Treybal)

Korbinian Altenberger, Ulrich Witteler und Hisako Kawamura spielen Schostakowitsch und Schubert

Von Reinhard Palmer, Seefeld

"Licht und Schatten" nannten die drei Musiker ihr Programm. Sie begannen mit dem Schatten, wohl um die zahlreichen Zuhörer im Sudhaus des Seefelder Schlosses am Schluss nicht betrübt in den Samstagabend zu entlassen. Schostakowitsch plante schon länger ein Klaviertrio, entwarf es aber neu, als sein Freund und Orchestrator Iwan Sollertinskij starb. Das Klaviertrio e-Moll op. 67 ist aber nicht durchweg verschattet und betrübt. Korbinian Altenberger (Violine), Ulrich Witteler (Violoncello) und Hisako Kawamura (Klavier) hatten auch nicht vor, alles gänzlich zu verfinstern. Ganz im Gegenteil. Mit ihrem überaus emotionalen, fulminanten und leidenschaftlichen Zugriff sollte jede Ausprägung, jeder Ausdruck mit maximaler Hingabe ausgespielt werden.

So erklang mitten im kraftvoll-wilden Taumel des zweiten Satzes ein hinreißender Volkstanz, der die grotesk anmutende Atmosphäre unvermittelt ins Heitere kippen ließ. Das wirkte durchaus verstörend, nachdem die drei Musiker den mystisch-geheimnisvollen Kopfsatz mit dem düsteren Klaviersatz und seinen wuchtigen Ausbrüchen mit einem muskantisch-makabren Poltern enden ließen und der Beginn des zweiten Satzes recht resolut ausgefallen war. Nach einem Largo-Kaddisch zwischen Donnerakkorden des Klaviers und einem Klagegesang der Streicher untermauert Schostakowitsch im Schlusssatz den Hintergrund seiner musikalischen Auffassung in diesem Werk. Die jüdische Volksmusik als Provenienz war unüberhörbar. "Lachen durch Tränen" setzte das Trio auch überzeugend um. Das feinsinnige Changieren zwischen Heiterkeit und Trauer, groteskem Spielwitz und pochender Schwere ließ die Stimmungen permanent kippen, sie damit in jenen in sich widersprüchlichen Zustand - "Ihre Verzweiflung drücken sie in Tanzmusik aus", äußerte Schostakowitsch über die Juden - versetzen, zumal Altenberger, Witteler und Kawamura auch extrem kontrastierten. So fielen die Wendungen umso radikaler aus; plötzlichen Rücknahmen ins Stille und Sinnierende standen gewaltige Ausbrüche in flutender Klangfülle oder derbem Poltern gegenüber.

Der Zugriff der extremen Ausprägungen sollte auch dem Licht im Programm zu unbändiger Ausdruckskraft verhelfen. Doch wie in allen großen Werken der zwei letzten Lebensjahre Franz Schuberts brodelt es unter der versöhnlich-schönen Oberfläche, war sich der noch sehr junge Komponist zum Zeitpunkt, als er seine zwei Klaviertrios ersann, seines nahenden Todes bereits bewusst. Schon zur Eröffnung tauchten Altenberger, Witteler und Kawamura die Rücknahmen nach dem euphorisch-erregten Start doch recht weit in den Schatten. Schuberts Musik präsentierte sich recht plastisch, durchgeformt von den Musikern des Abends. Insbesondere im warmtonig-schönen langsamen Satz, dem Schumann "seliges Träumen" attestiert hatte und der im denkbar extremen Kontrast zum leicht-spritzigen Scherzo stehen sollte - dies noch einmal in seiner Charakteristik gesteigert durch das wogende Moll im Trio. So liedhaft heiter das Schlussrondo (das eigentlich gar kein Rondo ist) daherkam, so rasch steigerte es sich gewaltig zum wuchtigen, derb polternden Kehraus. "Alles klingt, so recht vom Grunde, aus der Tiefe des Claviers heraus", schrieb dazu Robert Schumann. Kawamura verstand ihre Aufgabe auch nicht anders, überraschte gar mit gewaltiger Kraft, die den Streichern eine satte Grundlage bot, symphonische Größe zu entfachen. Die Musiker scheuten auch bei Schubert nicht zurück, mal grob zuzupacken und den Schönklang gezielt zu stören. Lang anhaltender, begeisterter Applaus.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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