Seefeld:Dreiecks-Drama

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Thomas Gropper singt "Die schöne Müllerin"

Von reinhard palmer, Seefeld

Thomas Gropper zählt ganz gewiss zu den umtriebigsten Musikern Südbayerns: Als Oratoriensänger, Chorleiter und Dirigent ist er regelmäßig zu hören, darüber hinaus arbeitet er als Stimmbildner, Sprecher und Moderator. Seit gut einem Jahr ist der Gesangsprofessor an der Münchner Musikhochschule auch Leiter der Birnauer Kantorei am Bodensee. Das ist alles gut - aber auch schade, weil Gropper durch die vielen Verpflichtungen nur noch allzu selten dazu kommt, Liederabende zu singen. Dass der Bariton ein hervorragender Interpret ist, sollte sich auch im Schloss Seefeld vor einem kleinen, dafür umso fachkundigeren Publikum zeigen.

Mit seinen Einführungen zu Schuberts "Die schöne Müllerin" weihte Gropper die Zuhörer gleich auch in die interpretatorischen Feinheiten ein. Entscheidend war wohl die erhellende Einsicht, dass es in dem Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller nicht gar so tierisch ernst zugeht, wie Liederabende meist verlaufen. Inhaltlich wird ein Dreiecks-Drama geschildert, das wohl so alt ist wie die Menschheitsgeschichte: Müllergeselle liebt Müllerstochter - die aber hat sich in den strammen Jäger verguckt und bemerkt den entflammten Gesellen gar nicht. Es herrscht Trauer und Verzweiflung, bis alles den Bach runtergeht - wortwörtlich, denn der Bach hat hier das letzte Wort.

Die Geschichte ist also simpel, wäre da nicht die Kunst. Zunächst die des Dichters, der mit poetischen Worten eine Fülle von Emotionen und Bildern generiert. Und dann die großartige Komposition Schuberts, der die Worte vielschichtig musikalisch interpretiert und mit feinen Schattierungen auch die Hintergründe erhellt - wenn die Musiker in der Lage sind, die Nuancen zu verstehen und zu betonen.

Um Groppers Ideen zur Deutung der Lieder auch umzusetzen, bedarf es einer einhelligen Auffassung bei Klavierbegleitung und Gesang. Hier setzt der Sänger auf die in Indien geborene Münchnerin Maharani Chakrabarti: Sie machte sich in den letzten Jahren als Kammermusikpartnerin einen Namen und versteht es, ihren Part nicht immer nur unterzuordnen, sondern auch im richtigen Moment adäquate Pointen zu setzen. So entstand eine packende Erzählung, die den Gesellen forsch auf die "Wanderschaft" und dann ins Verderben schickte. Gropper und Chakrabarti gaben dem Zyklus einen agilen Fluss, der in "Halt!" oder "Ungeduld" euphorische Leidenschaft entfesselte und mit "Am Feierabend" oder "Mein!" kraftvoll dramatische Akzente setzte. Beschwingte Leichtigkeit ließ das Duo in "Thränenregen" oder "Mit dem grünen Lautenbande" erblühen und lyrisch sinnierend gaben sich die Musiker den wohlig melancholischen Weisen hin. Wie etwa in den unvergleichlich schönen Liedern "Die Neugierige", dem Zwiegespräch des Gesellen mit dem Bächlein, oder auch in "Die liebe Farbe", mit dem die Müllerstochter den Jäger anschmachtet. Gropper beschränkte sich in diesem Auf und Ab der Emotionen mit schlanker Stimmführung auf eine sehr feinsinnige Differenzierung. So überzeugte die Geschichte von innen heraus, ohne theatralische Gesten zu bemühen. Schon vor der Wiederholungszugabe war das Publikum im Sudhaus von der hohen Kunst des Liedgesangs restlos überzeugt.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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