Seefeld:Die Gesetzlosen

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Festival-Ehrengast Goran Paskaljević neben dem alten Filmprojektor, der vor dem Kino in Seefeld steht. (Foto: Nila Thiel)

Ehrengast Goran Paskaljević stellt in Seefeld seinen brutalen Film "Cabaret Balkan - Das Pulverfass" vor

Von Blanche Mamer, Seefeld

Weil er keine Steadicam, eine frei bewegliche Filmkamera, besaß, wollte er die jeweiligen Akteure in Großaufnahme zeigen. Daraus entsteht das Gefühl, dass sich die wild aussehenden bärtigen Männer von der Leinwand auf die Zuschauer zubewegen. Das lässt niemanden kalt, macht Angst. Mit "Bure Baruta/ Cabaret Balkan - Das Pulverfass" hat der serbische Filmemacher Goran Paskaljević einen extrem gewalttätigen Film gedreht, der durch seine unmittelbare Brutalität stellenweise kaum erträglich ist. Auch wenn die Männer mit weit aufgerissenen Mündern lachen, bleiben die Augen kalt und lauernd, Gewalt liegt in der Luft. Diese latente Aggression, die immer wieder in Mord und Totschlag endet, können manche Kinogänger nicht ertragen. Schon nach kurzer Zeit verlassen die ersten Zuschauerinnen fluchtartig den gut besuchten Kinosaal.

Paskaljević ist Ehrengast beim Fünfseen-Filmfestival. Er stellte in Seefeld seinen Film von 1998 vor, den es nur im 35-mm-Format gibt, wie Matthias Helwig erklärt. Es war schwierig eine Kopie zu bekommen, Helwig ging von englischen Untertiteln aus. Doch dann sind die Untertitel doch deutsch und französisch. Es ist der erste Film Paskaljevićs nach der Rückkehr nach Serbien. Und auch wenn er sich selbst nicht als politischen Filmemacher sieht, zeigt er doch ziemlich gut, wie sich die serbische Politik, die Eskalation und die Verschärfung des Kosovo-Konfliktes auf den Alltag der Menschen auswirkt. Es gibt keine Regeln und Gesetze mehr, keinen Respekt vor dem Anderen, Gewalt beherrscht die Straße. In nur einer Nacht entlädt sich die ganze Brutalität und Ohnmacht - ein Clown und ein Taxifahrer sind Bindeglied zwischen den Protagonisten. "Ich wollte nicht eine Geschichte erzählen, sondern viele. Ich wollte keinen einzelnen Helden. Eine Hauptperson wird umgebracht, die nächste übernimmt und wird gejagt, eine dritte Geschichte entwickelt sich, eine vierte. . .Personen, die zuerst am Rande stehen, kommen in den Mittelpunkt. Und: No limits for violence", erklärt der Regisseur.

In Amerika hätten viele Leute diese Form von Gewalt nicht verstanden. In Europa schon - der Film wurde in Venedig mit dem Preis der Filmkritik ausgezeichnet und bekam den Europäischen Filmpreis 1998. Paskaljević sagt, dass er die schrecklichen Folgen von Milosevics Politik vorausgesehen habe und doch von der Bombardierung Belgrads durch Nato-Truppen tief getroffen wurde. Seine Mutter, seine Brüder lebten dort. Kurz vor einem Fernsehinterview am 28. März 1999 habe er die Nachricht gehört. Er habe nur sagen können, "Ich gehe jetzt hinaus, um zu weinen".

Das Drehbuch basiert auf einem Theaterstück eines jungen mazedonischen Autors, das er allerdings stark umgeschrieben habe. Die größte Herausforderung sei der Rhythmus des Films gewesen, darum habe er chronologisch gedreht, so dass sich die Konflikte auseinander entwickeln konnten. Da er den Film auch selbst produzierte, musste er das Geld zusammenhalten. "Die Szene im Zug war sehr teuer. Wir hatten Probleme mit dem Drehbuch und haben Shakespeares 'Richard III' gelesen, so haben wir die richtige Fortsetzung gefunden."

Paskaljevićs Film "Honeymoons" von 2009, läuft diesen Donnerstag, 20.30 Uhr, im Kino Starnberg.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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