Klänge im Sudhaus:Berauschend

Lesezeit: 2 min

Klavierduo und Ehepaar: Lucia Huang und Sebastian Euler beim Konzert im Sudhaus. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Klavierduo d'Accord spielt im ausverkauften Sudhaus von Schloss Seefeld Walzervariationen von Tansman und Ravel, die Nostalgie, Spott und wilden Schwung ins Spiel bringen

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Welch ein Orakel! "Das hat Zukunft", soll Karl-Hermann Mrongovius gesagt haben, als die Studenten bei ihm erstmals zusammen vorspielten, berichteten die zwei Pianisten im ausverkauften Sudhaus des Seefelder Schlosses. Aus Lucia Huang und Sebastian Euler wurde vor 17 Jahren das Klavierduo d'Accord, vor zehn Jahren ein Ehepaar und schließlich ein Elternpaar. Und die Zukunft ist noch nicht vorbei.

Anlass für diese Anekdote gab Schuberts vierhändiges Grand Rondeau A-Dur D 951, jenes Werk, mit dem die Zukunft des Duos begann. Für Schubert war es eine der letzten Kompositionen vor seinem Tod, die mit Innigkeit und ergreifender Emotionalität angefüllt sind. Das Duo d'Accord legte bei dem Konzert in der Reihe von Kultur im Schloss Seefeld seine Erinnerungen dazu und brillierte mit schönmelodischer Romantik. Der liedartige Hauptteil, unterbrochen von einer vertraulichen Erzählung, verzauberte mit süßlicher Melodik, überaus musikalisch ausgespielt und mit plastischer Modellierung der Substanz inszeniert.

Gerade in den großen Momenten wurde die klangliche Eigentümlichkeit und Homogenität des Duos besonders deutlich. Es war bisweilen der Gedanke der Orchestrierung, der den Zugriff an zwei Flügeln vordringlich bestimmte. Das lag allerdings vor allem an den Vorlagen für die Werke, die Huang und Euler zum Schluss interpretierten: Wiener Walzer. Orchestral hatte am deutlichsten Alexandre Tansman seine "Fantaisie sur les valses de Johann Strauss" von 1961 angelegt. Der polnisch-französische Komponist und Sohn jüdischer Eltern, der nach der Flucht vor den Nazis in den USA insbesondere als Hollywood-Filmkomponist Karriere machte, war in diesem Werk eher ein historisch motivierter Verwerter. Mit Chromatik angereicherte Harmonik umspielt zwar die erhalten gebliebene Walzerseligkeit, bemüht sich aber nicht um avantgardistische Aufarbeitung, sondern vielmehr um die rauschhafte Wirkung, die das Duo d'Accord denn auch wuchtig wogen ließ. Da stecke schon viel Nostalgie darin, die schon in Tansmans "Le Grande Ville - Ballet en trois Tableaux" von 1935 deutlich anklang. Ein Foxtrott, ein Blues und ein Charleston, die Szenen des Balletts charakterisieren, arrangierte der Komponist zu einer ungewöhnlichen Suite.

Die unterhaltsame Ausgelassenheit in der Interpretation des 1999 gegründeten Duos d'Accord war dabei sicher nicht falsch, ist doch eine Assoziation mit der Glanzzeit des französischen Varietés im Pariser Theater Folies Bergère nicht von der Hand zu weisen. Und selbst der Blues kam heiter-beschwingt und ohne Trägheit daher. Die Vermutung liegt nahe, dass Tansman in seiner Walzer-Collage denn auch in erster Linie an den Unterhaltungswert dachte, wenn auch in einer anspruchsvollen musikalischen Form.

Interessanter war der berauschende Tanzeffekt bei Ravel, der mit seinem "La Valse" die Walzer-Begeisterung der Wiener subtil allmählich in eine Karikatur verwandelte. Die Pianisten des Abends forcierten diesen Zug nicht, doch sie erhielten ihn als Unterton in seiner hintergründigen Schräge. Ravel spottete mit viel Fingerspitzengefühl, indem er bestimmte Charakteristika überzeichnete und kapriziös überspitzte bis zur lärmenden Wildheit. Und das in einer so gewaltigen Weise, dass Rachmaninows Suite Nr. 1 "Fantaisie-tableaux" op. 5 nachträglich harmlos erschien. Ungewohnt, da Rachmaninow sonst eher für die schweren Brocken im Programm zuständig ist.

Aber schließlich war er erst 19, als er das Werk komponierte. Im Barcarolle flirrte es sogar fast impressionistisch, und mit viel Chromatik färbte sich das Bild leicht spätromantisch. Was sich schon deutlich abzeichnete, waren die orchestralen Wirkungen, wie gerade im "La nuit... l'amour" vom aufgewühlten Fluten bis zum triumphalen Wogen exponiert. Der begeisterte Schlussapplaus verlängerte das Konzert um vier Zugaben: von Debussy, Mozart, Reger und Brahms.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: