Seefeld:Aus dem Vollen geschöpft

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Hoch konzentriert: Violinist Korbinian Altenberger und Cellist Lionel Cottet bei ihrem Auftirtt im Sudhaus von Schloss Seefeld. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Violoncello-Reihe in Seefeld: Das Duo Cottet und Altenberger spielt Ravel, Glière und Kodály

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Einmal mehr wurde in diesem originellen Konzert klar, wie schmalspurig der allgemeine Konzertbetrieb in den großen Sälen der Städte geworden ist. Um so erfreulicher das mutige Konzept von Kultur im Schloss Seefeld, in einer kleinen Reihe mit dem Violoncello im Fokus Raritäten erklingen zu lassen. Allerdings passt der Begriff Raritäten nicht so ganz, denn de facto standen musikhistorisch gesehen bedeutende Werke auf dem Programm, die zweifelsohne zu den Kompositionen gehören, die der Entwicklung der Musik des 20. Jahrhunderts einen mächtigen Schub verpasst haben. Vor allem die Sonate für Violine und Violoncello (1920/22) von Ravel, die in ihrer Bitonalität einen entscheidenden Schritt zur Befreiung von harmonischen Bindungen tat, ohne gleich ein abstraktes System zu bemühen. Ihre lineare Entwicklung ist überaus inspiriert und zudem von ungemein poetischer Charakteristik.

Allerdings gedachten weder der Schweizer Cellist Lionel Cottet noch Geiger Korbinian Altenberger, beide in den vordersten Reihen der BR-Symphoniker, kleinlaute Lyrik zu deklamieren. Sie waren im Sudhaus des Seefelder Schlosses angetreten, um aus dem Vollen zu schöpfen und mit satter Substanz das Publikum zu euphorisieren, insbesondere in Passagen mit volkstänzerischer Verve oder klotzenden Ballungen und ekstatischen Klangfluten - aber ebenso mit einer Lyrik, die sehr präsent und handfest daherkam. Für Ravel bedeutete dies, trotz des Gedenkens an Debussy in der Widmung: intensive thematische Linien mit leidenschaftlichem Nachdruck, konzertante Passagen in expressiver Kompaktheit, wuchtige Verdichtungen, klangliche Höhenflüge. Um so wirkungsvoller ergriffen die wenigen Rücknahmen in zart-fragiles Sinnieren und versponnene Geflechte, die in die geballten Spannungsentwicklungen reizvolle Zäsuren setzten.

Mehr als zehn Jahre früher entstanden, sind die Acht Duos (bisweilen Duette genannt) op. 39 des russischen Komponisten Reinhold Glière, Sohn eines deutschen Blasinstrumentenmachers, im Grunde von stilistischen Rückgriffen geprägt. Dabei versprach das drückend-schwere Prélude voller Leidenschaft etwas anderes, das durchaus an Ravel hätte heranreichen können. Doch für Altenberger und Cottet war der Rückgriff auf tradierte Kompositionstechniken kein Grund, in den nachfolgenden Sätzen seicht zu werden oder historisierend zu gestalten. Vielmehr ging es den beiden darum, den Erfindungsreichtum in der Kombination ihrer Instrumente reichhaltig, aber auch zeitgemäß auszukosten. Besonders sinnenfreudig kam etwa der bordungrundierte musikantische Einschub der Gavotte, das zart blühende Kolorit der liedartigen Berceuse oder das erregte Flirren der rasanten Etude zum Schluss rüber. Und immer wieder satter Gesang von hingebungsvoller Ausdruckskraft, der in seiner Klangfülle und Körperlichkeit fast schon plastische Formen annahm.

Der jüngsten Generation im Programm gehörte Zoltán Kodály an. Unterstützt von Bartók, hatte der Komponist mit seinen Studien der Volksmusik seiner ungarischen Heimat der Neuen Musik die entscheidenden Impulse lieferte. Sein pentatonisch bestimmtes Duo für Violine und Violoncello op. 7 von 1914 ist von den gestalterischen Möglichkeiten her eine unermessliche Fundgrube. Und das Duo Altenberger und Cottet wühlte darin hemmungslos, zog alle Register, um die feinsinnig changierenden Sätze mit schlüssigem Bogen zu entwickeln. Gerade der langsame Mittelsatz, der so seelentief zum Gesang anhebt und sich zu einem dramatischen Höhepunkt aufschwingt, entwickelte eine mächtige Kraft. Er erwies sich im Nachhinein aber als harmloser Auftakt zu einem faszinierenden Finale von inspirierter Ausdrucksvielfalt, durchaus mit Rückfällen ins Leichte und Vergnügliche. Eine wahre Schau musikalischer Charakteristika und Elemente. Nach Ovationen des Publikums wählten Altenberger und Cottet als Zugabe die Steigerung zur Virtuosität hin mit einem Bravourstück: Variationen über Händels Passacaglia-Thema von Johan Halvorsen.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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