Raubmord von Meiling:Die Welt steht still

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Im Prozess vor dem Landgericht schildert einer der Söhne der Opfer seine Gefühle. Dem 39-Jährigen ist die Aussage wichtig: "Das steht ja in zwei Meter Akten sonst nicht drin"

Von Michael Berzl, Seefeld/München

Sie sind auf einer Reise nach Italien, als ohne Vorwarnung das Grauen über sie hereinbricht. Die beiden Brüder sind gerade am Grödner Joch, als sie den Anruf erhalten: "Der Papa ist umgebracht worden." Ein ungeheuerlicher Satz. Mehr als drei Jahre ist das jetzt her, dass eine Räuberbande über den 72-Jährigen herfiel und ihn so brutal misshandelte, dass er an den Folgen starb. "Die Welt hat einen Stillstand erfahren. Unser Elternhaus war auf einmal ein Tatort", schilderte einer von drei Söhnen am Freitag im Prozess gegen die mutmaßlichen Täter seine Gefühle. Der 39-Jährige verfolgt genauso wie sein zehn Jahre älterer Bruder als Nebenkläger die Verhandlung im Münchner Justizzentrum, ihm war es aber wichtig, auch als Zeuge gehört zu werden. "Das wollte ich erzählen. Das steht ja in zwei Meter Akten sonst nicht drin", sagte er ruhig, gefasst und reflektiert.

Da war kaum mehr zu spüren, welche inneren Kämpfe dieser Mann hinter sich hat, welche Überwindung es ihn gekostet haben muss, hierher zu kommen und viele Stunden mit den acht mutmaßlichen Tätern in einem Raum zu verbringen, denen vorgeworfen wird, seine Eltern überfallen und mit Zaunlatten und einer Eisenstange brutal verprügelt zu haben. Die mittlerweile 70-jährige Mutter überlebte mit schweren Verletzungen das Martyrium. Die Täter, die davor schon mehrere Raubüberfälle verübt haben sollen, erbeuteten damals 4500 Euro.

Die Tat hat auch bei den Söhnen Wunden hinterlassen, die noch lange nicht verheilen. Das wurde am sechsten Verhandlungstag vor dem Landgericht in München deutlich. "Man verliert den Halt in der Welt und fällt in ein graues Loch. Mein bisheriges Weltbild wurde gehörig durcheinandergerüttelt. Das führt manchmal dazu, dass man auf dem Bett liegt und nicht mehr hochkommt. Es kann ja passieren, dass jemand kommt und einem einfach alles wegnimmt ", erzählte der 39-Jährige. "Wegen 500 Euro pro Nase bringt man doch niemanden um. Du suchst nach Antworten, aber du kriegst da keine vernünftigen Antworten. Ein Handbuch für die Bewältigung so einer Situation gibt es nicht."

Der Verhandlung zu folgen, scheint für den Sohn des überfallenen Rentnerpaares Teil seiner eigenen Bewältigungsstrategie zu sein. Zunächst habe er sich darüber geärgert, dass es drei Jahre bis zum Prozessbeginn dauerte, aber jetzt sehe er, welcher Aufwand damit verbunden ist und wie gründlich die Justiz mit dem Fall befasst.

Über seine Mutter, die den brutalen Überfall überlebte, sagte der 39-Jährige: "Ihr haben sie ihre Heimat genommen. Es passiert heute noch, dass sie vor dem Haus steht und in Tränen ausbricht." Für Jahre sei es nicht möglich gewesen, mit ihr über die Tat zu reden. Bis heute könne sie nicht in jenem Haus in Meiling leben, berichtete sie, als sie vor gut einer Woche in Stadelheim als Zeugin vernommen wurde; per Videoschaltung, um ihr den Anblick ihrer Peiniger zu ersparen.

Zwei ihrer Söhne suchen hingegen geradezu diese Konfrontation. Einer der mutmaßlichen Täter sitzt im Gerichtssaal direkt vor ihnen, nur gut einen Meter entfernt. Sie könnten dem Angeklagten zusehen, wie er während der Verhandlung offenbar aus Langeweile mit dem Kabel seines Kopfhörers spielt. Alle acht Angehörige der sogenannten Froschbande verfolgen eher teilnahmslos die Verhandlung. Als ein Gutachter Bilder von den Blutspuren in mehreren Räumen im Haus an die Wand projiziert, schauen sie gar nicht hin.

Zuvor hatte eine Sachverständige die Auswertung von Mobilfunkdaten erläutert. Damit ließ sich die Anreise der Gruppe von der Schweiz über Leutkirch und Memmingen nach Meiling genau nachvollziehen. Auch direkt am Tatort wurde demnach noch telefoniert.

Weitere fünf Verhandlungstage sind in dem Prozess gegen die achtköpfige Bande vorgesehen. Die Urteilsverkündung hat der Vorsitzende Richter Thomas Bott für Montag, 17. Dezember, angesetzt.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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