Neue Ausstellungsreihe:Im Scheitern den Verstand überlisten

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In der Ausstellungsreihe "nah - fern" sind Arbeiten der Künstler Heike Pillemann und Frank Balve zu sehen - beide spielen mit den Abgründen menschlichen Seins, allerdings auf unterschiedliche Weise

Von Katja Sebald

Frank Balve, Meisterschüler von Gregor Schneider, erregte erst im Februar großes Aufsehen mit seiner Diplomarbeit, für die er den Vorgarten der Münchner Kunstakademie in ein Gräberfeld verwandelte und mit einem hohen Drahtzaun umgab. Mit einem Stück dieses Drahtzauns hat er sich nun in Starnberg sein "Spielfeld" auf dem grünen Fliesenboden der Schalterhalle abgesteckt. Gespielt werden darf nur hinter dem Gitter - doch auch hier lauert die Gefahr: Das Spielgerät, der Bronzeabguss einer am Boden liegenden zerbrochenen Federwippe, ist "im gescheiterten Zustand" zu sehen, wie der Künstler erläutert. Auch der zweite Teil der Installation, ein Wegkreuz vor dem versperrten Ausgang, erzählt vom Scheitern: Seine Form setzt sich aus 167 verschiedenen Kreuzen zusammen, die an der verbotenen Halbinsel in Thessaloniki für 167 Verkehrstote aufgestellt wurden. Balves schneeweißes Denkmal aus Zellstoff entstand über einem Holzkern. Für diese "Papierplastiken" hat er ein eigenes Verfahren entwickelt: Der Zellstoff wird zunächst fein gehäckselt und dann in bis zu hundert Schichten auf einen Träger aufgesprüht, zuweilen so dick, dass sich die darunterliegende Form kaum mehr abzeichnet. Balve spielt, wie auch in seinen früheren Rauminstallationen, mit Readymade und Konstruktion, mit Original und Kopie, mit Funktion und Dysfunktion. Das Ergebnis ist ein Spielfeld ohne Heiterkeit, ein Raum mit düster-sakraler Anmutung, ein kühler Ort des Scheiterns.

Künstler Frank Balve. (Foto: Arlet Ulfers)

Wie die Stationen eines Kreuzwegs gruppieren sich um diese Installation die quadratischen Bildtafeln der Serie "Lago" von Heike Pillemann. Die 1958 geborene Zeichnerin ist längst eine feste Größe der Münchner Kunstszene. Über ihre Arbeitsweise sagt sie, es sei ihr Wunsch, "Bilder aufzuspüren, die nicht willentlich konstruiert sind, sondern die im gelungenen Fall unvermittelt, sehr präsent und zwingend auftauchen, wie unter einer plötzlich aufklappenden Falltür". Der "Moment des Entdeckens" sei dabei mit einem "Erschrecken" vergleichbar, "das alles Weitermachen erst einmal entschieden verbietet". Von Scheitern kann hier freilich keine Rede sein, vielmehr war es der Künstlerin im konkreten Fall mit einer Veränderung des Formats gelungen, Verstand und Gewohnheit zu überlisten. "Einer Laune folgend" hatte sie ihr gewohntes Querformat mit einem halben Bogen zum Quadrat ergänzt. Aus dem Versuch, die Klebestelle zu kaschieren, entstand eine Horizontlinie und aus dieser Linie ein weites "Spielfeld" für eine Serie von Landschaften, in denen sie ihr Figurenpersonal agieren lässt. Pillemann ist hier denkbar sparsam in der Wahl ihrer künstlerischen Mittel: breiter schwarzer Kohlestrich auf braunem Packpapier. Die zumeist gesichtslosen Akteure bereisen ihre Minimallandschaften allein, als Paar oder als Gruppen; sie sind schwimmend oder in schwankenden Booten unterwegs zu einem weit entfernten Ufer. Ob sie es erreichen werden, ob sie kentern, ja scheitern, all das ist nicht sicher. Pillemann liefert dem Betrachter ihrer Bilder keine Gebrauchsanweisung mit, keinen "Henkel", wie sie selbst sagt. Ihre Zeichnungen sind wie der spannende erste Teil einer Erzählung, sie sind im Sinne von Umberto Eco "Offene Kunstwerke", die sich erst im Auge des Betrachters vollenden.

Künstlerin Heike Pillemann. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Ausstellung "Spielfeld" ist noch bis zum 2. April 2017 jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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