Mitten in Wörthsee:Kaffeemaschine mit Gastfreund

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Warum es manchmal besser ist, das Klingeln an der Haustür zu ignorieren

Von Gerhard Summer

Gelegentlich klingelt es und ein armer Kerl aus Osteuropa steht draußen, mit einem Pappkarton, auf dem in fahriger Schrift zu lesen ist, dass er Hunger hat. Oder Artisten von einem Zirkus, der gerade in der Nähe gastiert, läuten an der Tür. Sie wollen aber keine alten Semmeln für die Elefanten, oder so. Nein, der Nachbar hat zehn Euro gegeben, sagen sie. So viel sollte es also schon sein. Und was macht der brave Mensch? Er rückt Spaghetti, Äpfel, Bananen und Bares raus - und fragt sich zehn Minuten später, ob er sich jetzt gerade komplett zum Affen gemacht hat. Der Nachbar, der alte Geizkragen, würde freiwillig doch keine Brotkrume herschenken! Und kommen die Burschen wirklich vom Zirkus Crocobrill? Gibt's den überhaupt? Ach, wie kann man Gutes tun und so viel Schlechtes dabei denken?

Bei einer angeblich ungarischen Familie, die unter dem schönen Titel "Haus sammeln" alles mitnehmen will, was nicht niet- und nagelfest ist, scheint die Sache wenigstens klar zu sein. Landratsämter und Polizei in Franken, Ost- und Oberbayern warnen vor der Truppe, die nun auch in Wörthsee stapelweise ihre Zettel verteilt hat. Denn die Jungs sammeln illegal, heißt es, und ließen schlecht zu verramschende Sachen stehen oder irgendwo im Wald verschwinden. Eigentlich schade, denn die Ungarn interessieren sich für alles: Kosmetik, Nähmaschinen, Kameras, Schuhe, Alufelgen, Lego, Fahrräder und Kolter, was Koffer heißen könnte. Vor allem aber: Sie nehmen sogar die "Kaffeemaschine mit Gastfreund (auch defekt)" mit. Ja, das wäre toll, wenn nur alles mit rechten Dingen zuginge. Man stelle sich vor: Die Freundin hat einen Gastfreund, ihr wahrer Freund hat ihm gerade den Kopf gewaschen - und was macht er jetzt mit dem defekten Nebenbuhler? Genau, er stellt ihn vor die Tür und klebt ihm den Zettel der Sammler ans Hemd. Gastfreunde könnten natürlich auch Starnberger Kommunalpolitiker sein, Künstler, die ihr Publikum seit Jahren peinigen, angeblich generöse Nachbarn, blöde Ehemänner und Sperrmülleinsacker. Ja, das wäre am besten, wenn sich falsche Sammler selbst einsammelten, ob mit oder ohne Kaffeemaschine. Aber womöglich wird es nicht so weit kommen.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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