Mitten in Starnberg:Wundern über den Winter-Sale

Es hört nicht auf: Kaum sind die Geschenkhalden weggeräumt, sollen wir schon wieder kaufen, kaufen, kaufen

Kolumne von Wolfgang Schäl

Die Zeitung soll nicht nur das Neue, sondern ebenso das stetig Wiederkehrende im Jahresablauf abbilden. Aus dem Anspruch heraus regen wir uns an dieser Stelle regelmäßig über dieselben Sachen auf, weil unseren Lesern andernfalls etwas Gewohntes fehlt. Gern angenommen werden konsumkritische Texte als Nachtrag zum Weihnachtsfest; sie zielen auf ein latent schlechtes Gewissen, weil wir es mit dem Schenken womöglich übertrieben und darüber das Eigentliche fast vergessen haben.

Eine Gnadenfrist für uns Käufer gibt es trotzdem nicht. Kaum haben wir uns aus den Geschenkhalden herausgestrampelt, prasseln neue Werbebroschüren in die Briefkästen. Müssen wir wirklich schon wieder etwas kaufen? Wir blättern mit spitzen Fingern die ersten Prospekte durch und stellen fest, dass die Rabattschlacht von einem Möbelhaus eröffnet wird, das 70 Prozent gibt auf eine wirklich geräumige Bratpfanne. Muss man da nicht zugreifen, auch wenn sich daheim die Pfannen bis zur Decke stapeln? Wir legen das Angebot beiseite, kuscheln uns an die Broschüre eines Bettenhauses, das mit einem "Winterwunder Sale" wirbt und überlegen, ob wir jemals wieder ein Spannbettlaken für 50 Euro bekommen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Nun der Blick ins Sparwochen-Heftchen eines Eisenwarenhändlers. Aber ein Geschirr mit bordeauxroten Hirschen brauchen wir grade nicht. Schließlich kapitulieren wir erschöpft vor dem 58-seitigen Schlussverkauf-Prospekt eines Münchner Kaufhauses. Aber keine Angst: Schon bald werden wir uns erholt haben, und dann leeren wir mit frischer Kraft den verstopften Briefkasten aus.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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