Mitten in Starnberg:Wenn Kevin an Bord ist

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Die Aufkleber am Heck großer Vans sind manchmal nervig. Was wollen die Besitzer ausdrücken, wenn sie die Namen ihrer Kinder nennen?

Von sabine Bader

Was waren das für unpersönliche Zeiten, als die Kinder noch in Radlsitzen hockten und sich von Mutti durch die Stadt schaukeln ließen oder die Muttis gleich in ihre Autos stiegen und losbrausten, ohne dass man eine Ahnung hatte, wer im Wagen davor eigentlich sitzt. Traurig. Wobei brausen ohnehin der falsche Ausdruck für Starnberg ist. Hier braust niemand, auch wenn die dicken SUVs dies rein theoretisch locker könnten. Hier wird gezuckelt. Stop and go. Daran sind die Starnberger auch so sehr gewöhnt, dass sie für die 700 Meter zum Semmelholen gern das Rad stehen lassen und den Zündschlüssel umdrehen.

Und, wenn die Starnberger heute sorgenfrei im Stau stehen, wissen sie Gottlob auch, wer vor ihnen sitzt. "Sandy an Bord" heißt es da beispielsweise auf dem Aufkleber. Gut, jetzt lässt sich drüber streiten, ob Sandy ein glücklich gewählter Name ist. Oder, ob die gute Sandy die Entscheidung ihrer Eltern schon bald recht mistig finden wird. Jacqueline, Marlon und Kevin sind auch nicht viel besser, was Sandy ein wenig trösten mag. Marlon Brando sei hier ausdrücklich ausgenommen. Zu dem hat's irgendwie gepasst.

So ein Aufkleber auf der Rückscheibe soll vielleicht eine gewisse Nähe zum Dahinterfahrenden schaffen. Und er soll wohl womöglich so helfen, die Zahl der Unfälle ein wenig zu senken. Weil man umsichtiger fährt, sobald man durch den Namen einen Bezug zum Vordermann hat. Ob der Effekt allerdings eintritt, ist fraglich. Denn es kann ja gut sein, dass sich der Hintermann über die vielen Jacquelines, Kevins und Sandys so sehr aufregt, dass er vergisst, zu bremsen. Und wer garantiert einem, dass der Aufkleber nicht eine komplette Lüge ist? Dass die liebe Sandy längst im Berufsleben steht und höchstens an Muttertag mal an Bord ist?

Unverständlich ist ohnehin, dass es hierzulande nicht viel öfter "Brutus an Bord" und "Fiffi on Tour" heißt. Schließlich ist der Hund längst zum Kinderersatz avanciert. Und den will man schließlich auch namentlich kennenlernen.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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