Mitten in Starnberg:Wahre Fachkräfte

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Das Leben ist manchmal toll, aber es wäre nicht halb so schön, wenn es nicht all die patenten Kassiererinnen, Verkäuferinnen und Tankwartinnen gäbe

Von Gerhard Summer

Achtzehneurozwanzig", sagt die freundliche junge Frau an der Kasse in einem Rutsch. "Wollen Sie aufrunden?" Ja wie? Der Einkäufer schaut erstaunt drein. Sollte ihm da etwas entgangen sein? Wäre auch kein Wunder in diesen umtriebigen Zeiten. Kaum hat man sich dreimal umgedreht, wachsen den Kindern Bärte im Gesicht. Das neue teure Laptop ist schon wieder Schrott, und zum Schneider bringt man nicht mehr löchrige oder zu enge Jeans, sondern Pakete mit lauter schönen und neuen Dingen, die auch nicht passen. Aber dass der Kunde jetzt im Supermarkt Trinkgeld geben soll, das wäre schon ein Ding! Doch halt! Die Kassiererin meint etwas anderes, denn diese Läden sind längst Ersatzbanken. Der mit Karte zahlende Käufer rundet beispielsweise auf 100 Euro auf, und bekommt was raus, wenn es gut läuft. Also in diesem Fall mehr als 80 Euro. Das ist eine feine Sache, man hat sozusagen gar nicht den Eindruck, Geld auszugeben.

Ja, das Leben kann toll sein, aber klar ist auch: Ohne all die kundigen und patenten Verkäuferinnen, Kassiererinnen und Tankwartinnen wäre es nur halb so schön. Welche Geduld diese weiblichen Fachkräfte oft mit ihren pusseligen Kunden haben! In einer Starnberger Bäckerei beispielsweise verkehrt regelmäßig ein Herr, der sich eine gewisse jugendliche Art bewahrt hat und nur verschlüsselt kund tut, was er haben will. Er sagt also nicht beispielsweise: eine Nussschnecke und eine Mohnsemmel bitte. Nein, er drückt sich so aus: heute für einsneunzig! Alle Umstehenden rätseln, was gemeint sein könnte. Aber die adrette Bäckereifachverkäuferin zögert nur eine Sekunde und packt dann zwei Brezen und eine doppelte Semmel in die Tüte. Und was soll man sagen: Das stimmt genau! Demnächst wird die Frau bei der Mathematik-Olympiade in Jena dabei sein und irgendwann im Fernsehen erklären, wie viele Universen es gibt.

Was wohl aus der jungen Tankwartin in Höhenrain werden wird? Letzthin stand ein Kunde vor ihrem Tresen und wollte bezahlen. Aber da rieselte schon das Kleingeld aus seinem uralten gerissenen Portemonnaie heraus. Andere, nicht so kluge Verkäufer hätten nun womöglich versucht, dem Mann einen neuen Geldbeutel anzudrehen. Die Tankwartin aber zückte einen Tacker, und ehe sich der Kunde versah, war das Loch im Leder auch schon geklammert. Gut, das sieht jetzt nicht übertrieben elegant aus. Aber es hält. Und genau genommen hätte der Herr, der an der Autobahnstation getankt hatte, bei so viel Hilfsbereitschaft ruhig aufrunden können.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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