Mitten in Starnberg:Selbst die Meisen machen Diät

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Was vom Winter übrig blieb und uns jetzt akut beschäftigt: Was tun mit Meisenknödel?

Von Wolfgang Schäl

Die weltweite Nachrichtenlage trägt in diesen Tagen weit mehr zur Verdrossenheit bei, als dass sie uns erbauen würde. Grund genug, ein lokales Thema anzusprechen, das jahreszeitlich bedingt in den Hintergrund getreten ist, obwohl es doch unseren unmittelbarsten außerhäuslichen Lebensbereich betrifft: den Balkon.

Vogelfreunden ist sofort klar, dass es nur um den Meisenknödel gehen kann, jenes kalorienreiche Gebilde aus Fett und Körnern, das unseren gefiederten Freunden im Winter, so sie in heimischen Gefilden verweilen, ein solides Auskommen sichern soll. Wir wollen nicht verschweigen, dass orthodoxe Ornithologen diese Form der Überlebenshilfe ablehnen, umso mehr, als in diesem sogenannten Winter kaum Schnee gefallen ist. Uns aber hatte beim Anblick der wenigen Flocken sofort das Mitleid ergriffen. Und so stehen wir nun, mitten im Hochsommer, vor einem überdimensionierten Vorrat. Denn die Knödel waren nur im Sechserpack erhältlich und der Appetit der Meisen hat zuletzt stark nachgelassen.

Die erste Kugel war noch dankend angenommen worden. Lustvoll hatten sich die Meisen auf den ersten der nach ihnen benannten Knödel gestürzt und zur Gänze aufgepickt. Andere Vogelarten waren übrigens von vornherein nicht interessiert, obwohl es beispielsweise dem Specht doch ein Leichtes wäre, einen solchen Futterball mit nur wenigen tausend Schnabelhieben sekundenschnell aus dem Netz zu hämmern. Egal.

Nun stellen sich jedenfalls unangenehme Fragen. Warum hat es den Kohlmeisen plötzlich nicht mehr geschmeckt? Steht im Sommer bei ihnen generell nur Lebendnahrung auf dem Speiseplan? Oder liegt ihnen das fette Zeug bei der Hitze zu schwer im Magen? Ist diese Gattung vielleicht generell undankbar? Und was wird aus den restlichen Knödeln? Gehen die nächsten Winter auch noch, oder sind sie dann etwa ranzig? Kann man damit zur Not auch Fische füttern oder Marder? Ach, sie werden mitsamt unserer Sentimentalität in der Tonne landen. Und wir werden uns fragen müssen, ob wir nicht irgendwie, gewissermaßen, selber eine Meise...

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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