Mitten in Starnberg:Plädoyer für den guten Ton

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Auch Facebook, Twitter und Instagram sind keine rechtsfreien Zonen

Von Peter Haacke

Was sind das nur für Zeiten, in denen schlechte Umgangsformen, Rüpeleien, verbale Entgleisungen und Unhöflichkeiten offensichtlich zur Normalität werden. Der Verdacht liegt nahe, dass mit der Verwahrlosung in der Kommunikation und im sozialen Verhalten eine Erosion typischer Werte des kultivierten Abendlandes einhergeht. Das denkwürdige Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann, der den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan auf unterirdische Art und Weise beleidigte, aber dennoch für den "Online Grimme Award" nominiert wurde, darf als Spitze dieses unrühmlichen Eisbergs gelten. Respekt vor dem Alter, Achtung vor Andersdenkenden oder Sachlichkeit in der Debatte - das war alles vorgestern.

Wer sich nicht daneben benimmt, ist out: Dieses Motto scheint auf dem Schulhof unter Pubertierenden ebenso zu gelten wie im Sitzungssaal kommunaler Gremien oder auf der Straße, wo sich überforderte Verkehrsteilnehmer gegenseitig beschimpfen oder gar ohrfeigen, wenn sie nach eigenem Fehlverhalten angehupt werden. Der Verfall der guten Sitten jedenfalls scheint nicht aufhaltbar zu sein. Auch in "sozialen Netzwerken" wie Facebook, Twitter oder Instagram herrscht zuweilen ein rauer Ton.

Davon wusste jüngst auch Starnbergs Bürgermeisterin Eva John zu berichten: Sie bat - ungewöhnlich genug - in der jüngsten Stadtratsitzung darum, Mitarbeiter der Stadtverwaltung im Internet nicht länger aufgrund ihres Aussehens, Alters oder ihrer Arbeit im Internet zu diffamieren. Ihre Aufforderung: Entsprechende Beiträge - teilweise anonym oder unter Pseudonym verfasst - sollen doch bitte gelöscht werden. Man darf gespannt sein, ob der Appell der Bürgermeisterin, der uneingeschränkt zu unterstützen ist, Früchte tragen wird.

Den Opfern derartig perfider Angriffe ist nur der unverstellte Blick ins Strafgesetzbuch anzuraten: In den Paragrafen 185, 186, 187 und 188 ist einschlägig geregelt, wie im Fall von Beleidigung, übler Nachrede, Verleumdung oder übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens zu verfahren ist. Merke: Auch Facebook, Twitter und Co. sind keine rechtsfreien Räume, in denen man sich ungehemmt austoben und daneben benehmen darf.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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