Mitten in Starnberg:Hochsaison im Strandbad

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Drei Wochen vor Winteranfang herrscht an der Seepromenade Betrieb wie im Sommer. Nur die Gänse haben sich verzogen.

Von armin greune

Auf die Jahreszeiten ist ja auch kein Verlass mehr. Wer sich jetzt, gut drei Wochen vor dem meteorologischen Winteranfang entlang der Starnberger Uferpromenade treiben lässt, glaubt fast, er sei in den Sommer zurückversetzt worden. Jede S-Bahn entlässt mehr Flaneure, die schon auf den letzten Metern in der Unterführung in den gleichen Schlenderschritt verfallen, wie die ortsansässigen Müßiggänger. Das Strandcafé wirbt mit Eiskaffee und Eisschokolade, jeder Tisch in der Sonne ist besetzt. Und vom Steg aus gesehen wirkt der See einladend wie nie: Das Wasser ist so klar wie ein Gebirgsbach.

Jetzt wäre es praktisch, eine Decke dabeizuhaben wie das Pärchen, dass dort Sonne, Sushi und Coffee to go genießt. Ohne Unterlage aber lädt der Steg nicht zum Niederlassen ein, denn er ist dicht an dicht mit weißen Flecken besprenkelt. Plötzlich kommen einem die Gänse in den Sinn, die ja wegen ihrer höchst aktiven Verdauungsorgane als Urheber der schlimmsten Verunreinigungen gelten und deshalb überall vertrieben werden, wo der Mensch für seine Erholung die Grünanlagen beansprucht. Die freilich sind nun nur von Hunden und ihren Haltern bevölkert. Auf dem spiegelglatten Wasser ziehen Schwäne würdevoll vorbei, Enten tröten, Blässhühner stoßen ihre gepressten Pfiffe aus, und die Luft ist erfüllt vom Möwenkreischen. Nur die Gänse, diese angebliche Landplage, lassen sich nicht blicken. Haben sie sich endgültig von Seejägern, Bootsbesitzern und Bademeistern vergrämen lassen?

Ganz im Gegenteil: Für die Gänse ist gerade der schönste Teil der Badesaison angebrochen. Eine ganze Hundertschaft hat das städtische Strandbad gekapert, durch den hohen Drahtzaun sind sie vor vier- und zweibeinigen Nachstellungen geschützt und endlich einmal völlig ungestört unter sich. Im Wasserpark watscheln sie gelassen über Wiesen, zupfen sich ab und zu ein Büschel Gras und lassen fallen, was nicht mehr zu halten ist. Zwar toben hinter dem Gebäude Kran, Bagger und Ramme, aber man kann ja nicht alles haben. Im Vergleich zu Hundegebell und Kindergeschrei jedenfalls verheißt der Tiefbau endlich Ruhe: Er muss für Gänse wie Himmelsmusik klingen.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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