Mitten in Starnberg:Fremdes Italien

Der Landkreisbewohner bildet sich gern etwas auf seine südländisches Lebensgefühl ein - zu Unrecht

Von Astrid Becker

Der Mensch dieser Breitengrade erkennt in sich selbst ja gern die italienische Ader. Weil er sich so gern auf einen Cappuccino trifft, ein gutes Glas Rotwein aus dem Piemont niemals abschlagen würde, italienische Maßanzüge trägt oder ohne Pizza und Pasta nicht zu überleben vermag. Um es gleich zu sagen: Das ist kompletter Unsinn. Wer einmal bis in den Süden Italiens gefahren ist, weiß spätestens dann, dass der Landkreisbewohner von einem Italiener so wenig hat wie eine Weißwurst verwandt mit einer Mortadella ist. Der Italiener nämlich braucht keinen Christkindlmarkt, um dort für seine marode gewordene Weihnachtskrippe neue Figürchen wie Ochs' und Esel zu erstehen.

In Neapel zum Beispiel haben Krippen fast immer Konjunktur. Schon im frühen Herbst kramen die Neapolitaner in ihren Krippen, sehen beispielsweise, dass ihrem heiligen Josef der Kopf fehlt. Dann eilen sie sofort in ihre Altstadt, um dort eine neue Figur zu erwerben. Dann kaufen sie noch Obst- und Fleischstände dazu und vielleicht sogar noch einen berühmten Schlagerstar. Weil das für sie alles zusammengehört. Das würde dem hiesigen Landkreisbewohner nie einfallen. Das heißt: Mit Ausnahme vielleicht von Altlandrat Heinrich Frey. Der fährt jedes Jahr immerhin nach Rom, um eine neue Figur für seine Krippe zu erstehen. Und wie es heißt, handelt es sich dabei nicht immer um die Heilige Familie.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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