Mitten in Starnberg:Die Krise entrümpeln

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Ab und zu mal müsse im Haus ausgemistet werden, empfehlen immer wieder neue Ratgeber.Leicht ist das Entrümpeln nicht, wenn es um Gegenstände geht, von denen man sich nur ungern trennen möchte

Kolumne von Walter Gierlich

Ab und zu mal müsse im Haus ausgemistet werden, empfehlen immer wieder neue Ratgeber. Man fühle sich befreit, könne endlich wieder aufatmen und das Leben erleichtert in Angriff nehmen. Nun ja, das mag stimmen bei Gerümpel in Keller und Speicher. Da fällt es nicht allzu schwer, angeknackste Blumentöpfe, verrostetes Werkzeug oder eingetrocknete Farbreste endlich mal loszuwerden oder einen abgeschabten Riesenkoffer, der seit Jahren in einem vergessenen Winkel neben der Heizung einstaubt.

Leicht ist das Entrümpeln nicht, wenn es um Gegenstände geht, von denen man sich nur ungern trennen möchte. Etwa wenn ausgeräumt werden muss, weil gemalert werden soll. Da muss dann ein Bücherregal voll von Sachbüchern und wissenschaftlichen Werken geleert werden, ehe die Bretter von den Halterungen abgenommen werden können. Und weil es ohnehin schon übervoll ist und Neuanschaffungen bereits quergelegt sind, nimmt man sich schweren Herzens vor zu überprüfen, ob nicht doch das eine oder andere Druckwerk im Altpapier landen sollte. Also wird bei jedem verstaubten Wälzer geschaut, ob man ihn wegen seines vielleicht noch aktuellen oder dauerhaft relevanten Inhalts nicht doch noch einmal dringend brauchen könnte.

Klar, die "Grundzüge der altenglischen Grammatik" dürfen weg. Ebenso der Bildband über die Fußball-WM 1974. Ganz sicher darf man ohne Gewissensbisse auch den Schinken über die deutsche Rüstungspolitik der achtziger Jahre loswerden. Und die Interpretationen englischer Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts müssen auch nicht länger dringend benötigten Platz wegnehmen. Doch dann hat man plötzlich ein Buch mit dem Titel "Die SPD in der Krise" in der Hand und wundert sich, wieso das schon verstaubt ist. Aber ein Blick hinein zeigt, dass es keine Aufsatzsammlung über die aktuellen Probleme der deutschen oder erst recht der bayerischen Sozialdemokraten ist, sondern ein Fischer-Taschenbuch aus dem Jahr 1976: Damals waren die Genossen an der Regierung und Helmut Schmidt war Kanzler. Und das soll Krise gewesen sein? Vielleicht ist es ja ein gutes Omen, wenn sie jetzt auf dem Müllhaufen landet. Die Krise - nicht die SPD.

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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