Mitten in Starnberg:Abschied vom Papier

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Die Stadträte sollen die Akten nur noch digital erhalten - doch nicht alle Politiker haben einen Computer

Glosse von Peter Haacke

Kommunalpolitiker sind oft nicht zu beneiden. Klar, sie haben's ja nicht anders gewollt. Aber im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und Kollegen, die in Landes-, Bundes- oder EU-Parlamenten nahezu fürstliche Gehälter einstreichen, sind die ehrenamtlichen Kreis-, Stadt- oder Gemeinderäte hoffnungslos unterbezahlt. Bis spät in die Nacht dauern zuweilen die Sitzungen, bei denen es um wichtigste Themen geht: Bebauungspläne, Bauanträge, Sanierungen, Ausschreibungen, Haushaltsplanungen und vieles andere mehr - da kommt einiges zusammen, was debattiert werden muss. Wer die meist üppigen Unterlagen für Stadt- oder Gemeinderat, Bau-, Haupt-, Finanz- oder Umweltausschuss ernsthaft und aufmerksam studiert, ist oft Stunden damit beschäftigt.

Um ein Höchstmaß an politischer Transparenz zu gewährleisten, verschickt die Starnberger Stadtverwaltung seit eh und je an alle 30 Stadträtinnen und -räte komplette Unterlagenpakete: Tagesordnungen, Beschlussvorlagen und Anhänge. Weil alle den gleichen Informationsstand haben sollen - selbst wenn es nicht alle betrifft -, kommt so einiges an Papier zusammen. Die Folgen: Die Mandatsträger beklagen eine Papierflut, während die Kopierkosten im Rathaus astronomische Höhen erreichen.

Um dem analogen Wahnsinn ein digitales Ende zu bereiten, hatte die UWG eine gute Idee: Auf Papier verschickt werden sollen nur Beschlussvorlagen, den Rest, also Anhänge und Anlagen, findet man digitalisiert und geschützt im Internet. Vorteil: Papier, Arbeitszeit und ordnungsgemäße Entsorgung könnte man sich so sparen. Doch eine Umfrage unter den 30 Stadträten ergab: Nur 15 Mitglieder sind damit einverstanden. Neun wollten ihre Unterlagen lieber auf Papier, sechs äußerten sich gar nicht dazu. Und CSU-Stadtrat Ludwig Jägerhuber bekannte gar, dass er zu Hause keinen Computer habe.

Der Fortschritt ist dennoch nicht aufzuhalten. Auch nicht in Starnberg. Vorerst wird es Einladungen nebst Beschlussvorlagen zu Sitzungen der Gremien weiterhin in Papierform geben. Doch Anlagen stehen fortan nur noch digital im Ratsinfosystem zur Verfügung. Mit einer Ausnahme: Der Bauausschuss darf darüber abstimmen, wie er es künftig gerne hätte. Die ganz große Entscheidung über analog oder digital fällt dann im Januar mit einer geänderten Geschäftsordnung für den Stadtrat. Und bis dahin hat vielleicht sogar Jägerhuber einen Computer.

© SZ vom 29.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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