Mitten in Seefeld:Weihnachten ohne Engel

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Viele haben ein Ehrenamt, manche haben viele Ehrenämter - doch irgendwann ist selbst für Götterboten Schluss mit dem Engagement

Kolumne von Christine Setzwein

Ein Ehrenamt ist schon eine tolle Sache. Als Schulweghelfer den putzigen Kleinen über die Straße helfen, im Sportverein den künftigen Fußballstar trainieren, im schönen neuen Feuerwehrhaus mit den Kameraden ein Bier trinken, als Gemeinderat alles wissen und über die Zukunft der Bürger abstimmen, beim Ramadama den Müll anderer einzusammeln oder als Tourenleiter beim Alpenverein mit anderen die schönsten Gipfel besteigen. Kurz gesagt: Wer ein Ehrenamt übernimmt, übernimmt Verantwortung, nimmt sich selbst zurück und hilft anderen. Bundesweit engagieren sich 30 Millionen Menschen ehrenamtlich.

Gut, wie alles andere hat auch das Ehrenamt zwei Seiten. Eine Schulweghelferin wird nicht selten den Zorn ungeduldiger Autofahrer auf sich ziehen. Jedes Wochenende eine Schar lärmender Nachwuchsfußballer im Privatauto kutschieren muss man auch mögen. Vor dem gemütlichen Bier im Feuerwehrhaus hat in der Regel ein physisch wie psychisch anstrengender Einsatz stattgefunden, oft dann, wenn alle anderen seelenruhig schlafen. Und wer aktives Mitglied im Alpenverein ist, darf auch schon mal die ausgetretenen Wanderwege seiner Sektion wieder instandsetzen. Eine schweißtreibende und anstrengende Angelegenheit. Und Gemeinderäte überlegen sich immer öfter, ob sie noch mal antreten wollen, weil der Bürger bei allem mitreden will und seine gewählten Vertreter auch lautstark beschimpft, wenn ihm etwas nicht passt.

Für manches Ehrenamt wird es darum immer schwieriger, Freiwillige zu finden. Eine Idee von Seefelds Bürgermeister Wolfram Gum könnte Schule machen: Posten einfach nach dem Aussehen zu besetzen. Als es in der jüngsten Gemeinderatssitzung darum ging, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für die Organisation des Christkindlmarkts ging, fiel sein Blick sofort auf die SPD-Gemeinderätin Ute Dorschner. "Du hast doch die richtige Frisur dafür", meinte er. Die Angesprochene fuhr sich durchs gewellte, weiß-blonde Engelshaar - und lehnte ab. Schließlich können sich nicht einmal Engel überall engagieren.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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