Mitten in Herrsching:Mystik im Sitzungssaal

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Seitdem die Bilder eines Malers im Rathaus hängen, geht es im Gemeinderat unheimlich zu

Von Patrizia Steipe

Die graue Betonwand im Sitzungssaal des Herrschinger Rathauses dient der Gemeinde als Ausstellungsfläche für Kunst. Regelmäßig hängen dort lokale Künstler ihre Gemälde auf. Vor kurzem sind sieben "Bergdämonen" temporär eingezogen. Den Aquarellzyklus hat Uli von Weidenbach gemalt. Der Herrschinger Tierarzt ist passionierter Kunstfreund und Maler. Zu den Dämonen, die ein wenig an Vorlagen für Tätowierungen erinnern, hat er eine besondere Geschichte beigesteuert. Mit seinem Hund Bingo sei er auf einer einsamen Berghütte "tief in den Tegernseer Bergen" gewesen. Abends fing das Tier zu bellen an, und den Tierarzt überkam ein Gefühl, nicht alleine zu sein. "Da war was in der Schlafstube, aber ich konnte nichts erkennen. Ich holte meine Aquarellfarben hervor und meine Hand begann, wie von fremder Hand geleitet, Figuren zu malen, eine nach der anderen." Am Schluss hatte er zehn Dämonen gemalt. Nach mehreren Stunden zog ein Windhauch durch die Stube hin zur Hüttentür und "alle brennenden Kerzen auf dem Tisch gingen aus". Hund und Herrchen waren wieder alleine Die Bergdämonen hätten übrigens ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt. "Ich denke, indem sie sich mir mit Hilfe meines Aquarellpinsels zeigten, schlossen wie miteinander Freundschaft." Seitdem ist Weidenbach davon überzeugt, dass er Zeuge einer übersinnlichen mystischen Erfahrung gewesen sei. "Wächter des Gemeinderats" hat er seine hochformatigen Bilder genannt, und er geht davon aus, dass die Bilder, die in der Gegend entstanden sind, die schon von Nostradamus als "mystisch" bezeichnet wurde, übersinnliche Kräfte ausstrahlen. Solange sie im Sitzungssaal hängen, würden sie positive Energien an die Gemeinderäte abgeben - so Weidenbach. Alles Humbug, könnte der eine oder andere meinen. Allerdings ist es schon verwunderlich, dass in der jüngsten Sitzung tatsächlich das Thema "barrierefreies Kurparkschlösschen" wieder aufgegriffen wurde. Im Herbst hatte die Mehrheit im Gemeinderat schließlich per Abstimmung beschlossen, dieses Thema "endgültig" zu beenden. Vielleicht könnten sich ja andere Gemeinderäte die Bergdämonen für ein Weilchen ausleihen. Die Gilchinger zum Beispiel. In der mystischen Sitzung hatten die Herrschinger nämlich auch den Auftrag für 160 Stühle für das neue Widdersberger Gemeindezentrum in Auftrag gegeben. Kosten: 8500 Euro. "Davon können die Gilchinger nicht einmal drei Stühle für ihren Sitzungssaal kaufen", sagte ein offensichtlich mystisch verklärter Willi Welte.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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