Mitten in Gauting:Dankbarkeit und Angst

Lesezeit: 1 min

An zwei Abenden im Gautinger Rathaus kommen zwei grundverschiedene Stimmungen zutage

Von Michael BErzl

Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Einem Abend voller Solidarität, Empathie und Dankbarkeit folgt nur drei Tage später ein Abend, der geprägt ist von Ressentiments, Bangigkeit und dem Wunsch, sich abzuschotten gegen alles Fremde. Es sind zwei Abende im Gautinger Rathaus, einmal unten im Foyer, einmal im Sitzungssaal. Dazwischen liegen Welten.

Samstagabend, Verleihung der Bürgermedaille an Claudia von Maltitz und Jutta Jecht, zwei Frauen, die sich zusammen mit Hunderten Helferinnen um Flüchtlinge in Gauting und Stockdorf kümmern, die Sprachunterricht und Arztbesuche organisieren, bei Behördengängen helfen und gegen die Bürokratie kämpfen. Menschen aus Afghanistan und dem Kongo erzählen von ihren Anfangsschwierigkeiten, ihrem Kampf mit der deutschen Sprache und was aus ihnen geworden ist, wo sie jetzt arbeiten. Dank des Helferkreises. Hier wird mehr gelacht und gesungen als geehrt. Die Formalien treten bald in den Hintergrund. Das Programm der Feier mit geladenen Gästen ist natürlich viel zu lang, aber das Miteinander trägt durch den Abend. Und dann fällt so ein Satz: "Thank you for saving my life". Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Danke, dass Sie mir mein Leben gerettet haben. Das sagt ein großer dunkelhäutiger Mann aus Afrika, nachdem er Klavier gespielt und wunderbar dazu gesungen hat. Es ist einer von denen, die manchen offenbar Angst machen.

Dienstagabend, Bürgerfragestunde vor der Gemeinderatssitzung: Besorgte Bürger sind gekommen, die an der Leutstettener Straße wohnen, an der eine Halle für Flüchtlinge gebaut werden soll. Es ist noch kein einziger Flüchtling da, aber die Angst ist schon da. Fast eine halbe Stunde lang schildern Anwohner ihre Sorgen und ihre Befürchtungen. Mädchen würden sich nicht mehr so sicher fühlen, ist zu hören. Der Bürgermeisterin werfen sie vor, den geplanten Bau der Halle einfach hinzunehmen, statt sich dagegen zu wehren. "Meine Erfahrung ist, dass wir keine Probleme in Gauting haben", entgegnet Brigitte Kössinger. Claudia von Maltitz weiß die Unterstützung aus dem Rathaus sehr zu schätzen und hat noch eine andere Erfahrung gemacht: "Ich kenne niemanden, der mit Flüchtlingen umgeht und vor ihnen Angst hat".

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: