Mitten in Dinard:Würde und Wiesenblumen

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Eine Delegation aus Starnberg besucht die Partnerstadt und es gibt eine Überraschung

Von Astrid Becker

Der Vorteil an einer Reise in die Ferne liegt bekanntermaßen darin, dass einen dort, am Ziel, niemand kennt. Ein Phänomen, das immer wieder gern beschrieben wird, wenn beispielsweise von weißen Socken in Badelatschen die Rede ist, von Touristen, die morgens das halbe Frühstücksbüffet abräumen, damit sie bis zum Mittagessen nicht verhungern oder von irgendwelchen Leuten, die mit nackten Beinen und Armen durch bretonische Kirchen laufen, obwohl sich das dort so gar nicht ziemt. Aber was soll's, daheim erfährt's ja niemand.

Wer allerdings mit einer Delegation nach Frankreich reist wie Eva John zum Beispiel, muss damit rechnen, dass sich ein eventueller Fauxpas in der Heimat herumsprechen dürfte. Ebenso wie alles andere, was auf so einer Reise in eine Partnerstadt geschieht. Um es gleich zu sagen: Eva John ist nicht im Spaghettiträgeroutfit durch die Sehenswürdigkeiten Nordfrankreichs gestapft. Sie hat keine Croissants gebunkert und auch nicht durch unangemessene Fußkleidung Aufmerksamkeit erregt. Sie hat nicht einmal eigenmächtig die Reiseroute geändert oder heimlich städtische Rücklagen in bretonische Austernbänke investiert. Nix. Im Gegenteil: Die Bürgermeisterin benimmt sich in der Ferne so gar nicht daneben. Brav hält sie sich bei offiziellen Anlässen ans vorgegebene Protokoll. Findet warmherzige Worte wie "Dankeschön" und "wunderschön" und hat sogar Gastgeschenke für alle dabei. Also für Gastgeber und Gäste. Und zwar eine Mischung aus Wiesenblumensamen. Damit hier wie dort die zarten Pflänzchen der Freundschaft sprießen können. Das ist ihr wichtig. So sehr, dass sie kurzerhand die Saattütchen selbst verteilt. Das kommt in der Ferne gut an.

Überhaupt kommt sie in Dinard gut an. Sogar so gut, dass Eva John zur Ehrenbürgerin ernannt wird. Damit konnte nun niemand rechnen, nicht einmal sie selbst. Deshalb schießen ihr auch Tränen in die Augen. Vielleicht aus Rührung. Vielleicht aber auch, weil ihr das in Starnberg nicht passieren würde. Aber zuhause ist eben doch manches ganz anders als in der Ferne.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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