Mitten in Dießen:Nabelschau am Stammtisch

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Der Ex-Chef der Grünen ist zur Bayernpartei konvertiert - und lädt nun auf eigentümliche Weise zum Wahlkampf

Kolumne von Armin Greune

Zu einem "realsatirischen Stammtisch" laden die Kreis-Grünen an diesem Donnerstag auf die "Tutzing" ein. Das Motto lautet "Des werd ma woi no sogn derfa". Der Abend verspricht eine amüsante Abwechslung vom Wahlkampf-Einerlei - aber ist bestimmt keine Realsatire. Denn die kommt nur zustande, wenn Vorgänge oder Personen unfreiwillig kabarettistisch wirken. Und beim Auftritt der Schauspieler auf dem Museumsschiff darf man annehmen, dass ihre Darbietung absichtlich Spott über Vorurteile und blöde Sprüche gießt, um aus ironischer Fallhöhe Lacher zu gewinnen.

Nur gut, dass dieser Tage auch eine reale Stammtischeinladung vom Ex-Chef der Dießener Grünen erging. Der zur Bayernpartei konvertierte Michael Hofmann outet sich darin als "bekennender Stammtisch-Politiker". Inhalt, Duktus und Orthografie der Mitteilung legen nahe, dass sie auch eben dort zu vorgerückter Stunde verfasst worden ist. Sie beginnt mit "Servus die Presse", endet "mit Bayrischem Gruß" und singt das Hohelied des Stammtisches: "Es ist der Nabel meiner politischen Tätigkeit. Wer da nicht Gehör findet, hat in Bayern nix zu sagen," meint der Landtagskandidat.

Am 4. Oktober, dem "Termin unseres Wahlkampfhöhepunktes", wird ein umfangreiches Programm versprochen. Neben den Reden "von den Kandidaten" wird es noch einen "sehr interessanten Vortrag geben: Herr Studiendirektor a. D. Siegfried Schwaiger spricht über die Geologie der Eiszeit bis zu den Kelten". Doch nicht genug der Attraktionen: "Ebenso wird der Abend durch eine musikalische Darbietung begleitet. Wir lassen es richtig krachen", schreibt Hofmann und meint damit wohl weniger die kalbenden Gletscher beim Abzug der Eiszeit als die Ansprachen, die Koryphäen der Bayernpartei zu Gehör bringen werden. "Bitte um Rückmeldung."

Dieser freundlichen Aufforderung kommen wir hiermit nach: Servus die Partei, gerade im Wahlkampf sind wir sehr daran interessiert, mehr über aktuelle politische Positionen einer postglazialen Splitterpartei als über die Geologie der Kelten zu erfahren. Der Stammtisch aber ist kein Nabel der politischen Tätigkeit. Eher schon der Blinddarm, der gilt als überflüssig und führt in eine Sackgasse.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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