Mitten in der Region:Volksfest-Feeling dahoam

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Wer auf den Tanz in den Mai nicht verzichten will, muss heuer eben seinen Lieblingsapfelbaum im heimischen Garten weiß-blau anmalen

Kolumne von Alexander Kappen

Der FC Bayern war, wie es sich für den deutschen Rekordmeister und Branchenprimus gehört, der Zeit weit voraus und trug in der Champions League bereits im Jahr 2012 sein "Finale dahoam" aus. Weil man damals bezüglich großer Menschenansammlung noch nicht gar so streng war wie heute, hatte der Klub seinerzeit mehr als 60 000 Menschen bei dem für ihn zweifelhaften Vergnügen in seinem Fröttmaninger Wohnzimmer zu Gast. So was geht heute natürlich nicht mehr. Zwar sind in Zeiten von Corona weiterhin #dahoam, #bleibdahoam, #dahoamisdahoam, #dahaomisganzscheefad und #zefixjetztlangtsdannmitdahoam voll im Trend. Aber halt nicht mit 60 000 Gästen.

Großveranstaltungen sind bis Ende August vom Vergnügungsplan gestrichen. Und damit - das ist ein Stich in die bayrische Seele - auch Maifeiern und Volksfeste, die man dieser Tage im Landkreis eigentlich gefeiert hätte. Wer auf den Tanz in den Mai dennoch nicht verzichten will, streicht halt den Lieblingsapfelbaum im heimischen Garten weiß-blau an, hängt ein paar Schilder dran (Aufschrift: "Maibaumfreunde Dahaom is' schee e.V." oder so ähnlich) und prostet sich im engsten Familienkreis fröhlich zu, ehe man den kollektiven Lagerkoller runterspült.

Für Volksfestentwöhnte gibt es auch andere Angebote, um sich die Bierzeltatmosphäre in die eigenen vier Wände zu holen. In Landshut etwa hat man einen "Dult-Drive-in", wo man sich Bauernente, Würstl, Kraut und Festbier im Sechserpack für den Hausgebrauch abholen kann. Den Steckerlfisch, den man sich sonst auf dem Moosburger Frühlingsfest schmecken lässt, kann man bei den Standbetreibern in deren Fischerei nach vorheriger Bestellung zur Mitnahme herrichten lassen - und muss dabei verdammt schnell sein, weil die coronatisierte Homevolksfest-Community so ausgehungert ist, dass schon Tage vorher alle Termine und Fische ausgebucht und vergeben sind.

Wer leer ausgeht, holt sich das Frühlingsfest-Feeling halt anderweitig aufs heimische Veranstaltungsgelände: Bobbycar-Rennen in der Hofeinfahrt statt Autoscooter. Der Blick aus dem Dachfenster am Speicher dient als Lockdown-Riesenrad. Der morgendliche Blick in den Spiegel ersetzt nach der Wochen langen Schließung von Kosmetikstudios und Friseursalons die Geisterbahn - und abends schunkeln wir dann mit einem bierseligen Grinsen im Gesicht und einem "Sierra Madre" auf den Lippen Richtung Schlafzimmer.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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