Mitten in der Region:Gute Vorsätze für nächsten Dezember

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"Christine" oder das Rätsel um einen verlorenen Ehering

Kolumne von Johannes Korsche

Ach, tut diese Ruhe gut. Endlich ist die angeblich stade Zeit vorbei. Der Weihnachtsbaum im Wohnzimmer wird zwar noch ein paar Tage an die alljährliche Geschenke-Orgie erinnern und die traurigen Reste des Tischfeuerwerks an die Silvesternacht. Aber immerhin - das ändert auch der Neujahrskater nicht - ist diese besinnungslose Besinnung des Dezembers gerade so weit weg wie sonst nie im Jahr. Dieser Dezemberzustand, der zwischen Weihnachtsstresskauf und Weihnachtsfeier, Weihnachtsgans und Silvesterfondue wahnhaft hin und her taumelt, er ist für die kommenden Monate in unerklärlich verklärenden Vorfreude eingepackt. Bereit, wieder ausgepackt zu werden, wenn Mitte September der erste Lebkuchen im Supermarktregal steht. Warum nur?

Ein Beispiel, was der Dezemberwahn anrichtet, findet sich auf der Internetseite der Gemeinde Neuried: Seit Mitte des Monats sucht die Gemeinde den Besitzer eines goldenen Rings, in dessen Innenseite "Christine" und die Jahreszahl 1974 eingraviert sind. Allem Anschein nach also ein Ehering, der 44 Jahre lang das Symbol liebevoller Treue am Ringfinger des Gatten war. Und jetzt? Verloren kurz vor der als Fest der Liebe getarnten Fress- und Trink-Orgie. Tragisch ironiebehaftet das Ganze. Dabei wurde der Ehering nicht mal beim normalgestressten Kaufgehetze verloren, wenn sich auf dem Marienplatz die dezemberliche "Freude" in ein, zwei, zwölf Glühweintassen auflöst wie die Kopfwehtablette im Wasserglas am darauffolgenden Tag. Nein, nein, gefunden wurde der "Christine"-Ring in einer Führerscheinstelle. Alkoholbefreitere Zonen gibt es im Dezember wohl nicht.

Noch hat sich übrigens niemand wegen des Rings gemeldet, teilt das Münchner Landratsamt mit, das den Eigentümer sucht. Vielleicht tröstet sich das Dezember-Opfer ja mit guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Warum nicht weniger wert auf Besitztümer legen? Ob das wiederum Christine als Beschwichtigung und nicht als Scheidungsgrund dienen mag? Wer seine Ehe mit solchen Ausreden nicht aufs Spiel setzen will, kann sich ja vornehmen, 2019 nicht mehr ganz so atemlos durch den letzten Monat zu stolpern. Eigentlich ganz einfach, man muss den Dezember nur von seiner unerklärlich verklärenden Verpackung befreien.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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