Mitten in der Region:Entspannt zur Mülltonne

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Zum Glück kann man den Abfall jetzt auch nach 21 Uhr ruhigen Gewissens entsorgen

Glosse von ARIANE LINDENBACH

Seit Montag ist die Ausgangssperre aufgehoben, zumindest in jenen bayerischen Landkreisen, die über sieben Tage eine Inzidenz von unter 100 aufweisen. Das ist mal eine gute Nachricht in diesem zunehmend wegen seiner Perspektivlosigkeit nervenden, aber angesichts schwer berechenbarer Mutanten wohl weiterhin nötigen Lockdown.

Dabei ist es nicht einmal so, dass man persönlich von der Einschränkung besonders betroffen wäre. Das Alter, in dem man jeden Abend unterwegs sein müsste: längst vorbei. Und trotzdem: Der psychologische Effekt dieser Ausgangssperre ist enorm. Etwa beim Besuch von Freunden in München, wenn plötzlich spätestens eineinhalb Stunden vor dem geplanten Aufbruch der verstohlene Blick aller in der Runde immer wieder zur Uhr schweift. So richtig Stimmung kommt da nicht mehr auf. Und dann auf dem Heimweg: Was, wenn aus heiterem Himmel die sonst übliche Fahrzeit zu kurz veranschlagt war, zum Beispiel weil es wegen eines Unfalls einen Stau gibt? Würden die Polizeibeamten in so einem Fall noch ein Auge zu drücken? Und falls nicht, was würde einen die kleine Verspätung kosten? 250 Euro oder 500? (Tatsächlich sind es 500 Euro, mindestens.) Mit derartigen Gedanken erreicht man schließlich noch um 20.57 Uhr den heimischen Parkplatz.

Oder neulich, als die volle Mülltonne schon am Straßenrand stand; sie muss vom Gartenzaun aus zehn Meter über den öffentlichen Parkplatz gerollt werden, damit sie am nächsten Morgen geleert wird. Spätabends beim Entrümpeln - auch so eine neue Beschäftigung - entdeckt man noch eine Tüte mit alten Videokassetten, die längst entsorgt gehört hätte und in der Tonne noch Platz haben müsste. Aber darf man bei einer Ausgangssperre noch schnell den Garten verlassen, Sekunden nur, um auch den letzten Rest der Mülltonnenkapazität zu füllen? Dafür ein saftiges Bußgeld zu bekommen, wäre es wirklich nicht wert. Auf der anderen Seite: Ist das schon ein Verstoß? Nicht wirklich, denkt man, Müll entsorgen ist ja nicht das Gleiche wie ausgehen. Und überhaupt müsste man ja auch erwischt werden, so die Überlegung, während man aufmerksam in die Nacht lauscht. Alles ruhig. Kein Motorengeräusch, kein Mensch weit und breit. Also schnell zur Tonne gehuscht, Deckel auf, Tüte rein, und wieder zurückgerannt. Unentdeckt. Zum Glück. Aber schöner ist es doch, wenn man den Müll wieder entspannt in die Tonne klopfen kann.

© SZ vom 16.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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