Mitten in der Region:Drunter und drüber im Lockdown

Lesezeit: 1 min

Dem Menschen bleibt in der Pandemie eigentlich nur noch das Gehen. Wenn es sein muss, mitten auf der Straße

Glosse von ALEXANDER KAPPEN

Vieles geht nicht mehr in diesem Lockdown. Aber viele gehen. Was anderes kann man ja kaum mehr machen. Sportvereine dicht. Hallen zu. Fitnessstudios sowieso. Kinos, Theater, Restaurants und so weiter und so fort - alles geschlossen. Als eine der wenigen Freizeitbeschäftigungen bleibt also: Gehen.

Und davon machen die Menschen reichlich Gebrauch. Das Gebot der Stunde lautet: Jacke überwerfen und losmarschieren. Wohin auch immer. An die Würm, in den Wald, einmal rund um und quer durch die Stadt. Spazierengehen kann man eigentlich fast überall - und allein ist man dabei eigentlich fast nirgends. Der ganze Landkreis geht irgendwo spazieren. Alle sind auf den Beinen. Von Hinz bis Kunz. Vom Bürgermeister bis zum Jägermeister. Unter Kolleginnen und Kollegen wird schon verstohlen mit Gemeintipps gedealt, an welchen Ecken man noch ungestört durch die Gegend stapfen kann und wo der Inzidenzwert garantiert nicht höher als drei ist - das heißt, von 100 000 Spaziergängern benutzen in einer Stunde nicht mehr als drei genau diese Strecke.

Innerhalb geschlossener Ortschaften kann man von solchen Werten freilich nur träumen. Da wird - so empfinden es offenbar nicht wenige Spaziergänger - quasi jede Straße zur Fußgängerzone. Die gehen dann gerne mal in Dreier- bis Viererreihen (natürlich nur Mitglieder aus einem Hausstand) nebeneinander und nutzen die ganze Breite der Straße. Dass auch Autofahrer diese Straßen noch befahren, wird da gerne mal ausgeblendet. Autos? Ah geh'. Is' doch Lockdown.

Von diesem Gedanken waren offenbar auch jene zwei Seniorinnen beseelt, die dieser Tage gemütlich ratschend, eine Einkaufstasche mit Rollen hinter sich her ziehend, nebeneinander eine in der Regel viel befahrene Straße entlang schlenderten. Links ein gut geräumter Gehsteig, auf dem niemand sonst unterwegs war. Rechts ein gut geräumter Gehsteig, auf dem niemand sonst unterwegs war. Und die beiden Damen im altersgemäßen Tempo zu Fuß mitten auf der Straße. Die Autos, die sie hupend überholten, beeindruckten sie nicht. Wahrscheinlich dachten sie sich: Mit Abstand und Maske passiert schon nichts.

© SZ vom 30.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: