Mitten in der Pandemie:Spenden und ratschen

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Je länger der Lockdown dauert, desto größer wird die Sehnsucht nach Menschen aus Fleisch und Blut. Was hilft? Blut spenden

Glosse von Patrizia Steipe

Je länger der Lockdown nun schon dauert, desto größer wird die Sehnsucht nach Kontakten außerhalb des eigenen Haushalts, nach echten Menschen aus Fleisch und Blut und nicht deren Abbildung auf den Bildschirmen der Videokonferenzen. Der Aufruf zum nächsten Blutspendetermin in der Gemeinde kommt deswegen mehr als gelegen. Schnell muss man sein, um einen der begehrten Termine bei der Online-Reservierung zu bekommen. Denn diese sind ratzfatz vergeben. Das fühlt sich fast schon so an, als ob man eine Karte für ein hochkarätiges Popkonzert oder eine Opernpremiere ergattern wollte.

Vor dem Saal, in dem das Bayerische Rote Kreuz die Blutspenden nimmt, hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Was noch vor ein paar Monaten zu Unmut geführt hätte, versetzt nun in freudige Erwartung. Jetzt muss nur noch das Kunststück gelingen, mit Abstand und Maske bekannte Gesichter zu identifizieren. Tatsächlich: Ein paar Meter vor einem steht eine Mutter, die man noch aus dem Elternbeirat im Kindergarten kennt, daneben erkennt man einen Nachbarn aus dem Wohnblock. Und auch die Tochter einer ehemaligen Arbeitskollegin wartet auf ihren Einsatz. Der eigentlich stets verachtete Smalltalk - es ist erstaunlich, wie sehr man ihn doch vermisst hat und wie viel Spaß er macht. In die Gespräche schalten sich Unbekannte ein. "Wie meistern die Kinder ihr Homeschooling?" "Wann war der letzte Urlaub?", "wo gibt es das beste Take-away-Essen?", "wie kommt man mit den Konferenz-Tools zurecht?", "wie geht es der Gesundheit?" und so weiter. Die Stimmung steigt. Dass die verschiedenen Stationen, die der Blutspende vorgeschaltet sind wie Fragebogen ausfüllen, Arztgespräch, Temperatur- und Blutdruckmessung, nur langsam passiert werden können, kommt gelegen. Länger als sonst sind viele der Liegen mit den Spenderinnen und Spendern belegt. Den Grund verrät eine Krankenschwester. Blutspenden hat sich in der drögen Corona-Zeit zu einem beliebten Event entwickelt. In der Pandemie kommen deswegen auch viel mehr Erstspender als sonst. Darunter sind einige, die wegen der Aufregung, weil sie zu wenig gegessen oder getrunken haben oder kein Blut sehen können, Kreislaufprobleme bekommen haben. Damit sie nicht umkippen, müssen sie sich noch auf den Liegen erholen, was den Zeitplan ein wenig durcheinander gebracht hat. Den Wartenden ist das nur recht. Man ist gerade so schön am Ratschen. Übrigens: Da hinten auf der Liege, ist das nicht der Trainer aus dem Sportverein?

© SZ vom 21.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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