Mitten in den Bergen:Elektrische Gipfelstürmer

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Auf einem Fahrrad mit Motor kommt man ganz leicht hinauf. Dabei gehört es doch dazu, sich ehrlich zu plagen

Kolumne von Katharina Schmid

Neulich am Berg: Ein breiter, steiler Forstweg windet sich die sonnige Flanke hinauf. Vier Wanderer stützen sich schwitzend auf ihre Stöcke, zwei Radler hocken schnaufend auf ihren Mountainbikes. Die mit Rad sind kaum schneller als die zu Fuß. Gemeinsames Leiden in der Höhe. Plötzlich ein Surren im Rücken. Sechs Paar Augen schauen irritiert nach hinten, fragend ihr Blick. Naht hier ein Bienenschwarm? Ist das der Angriff aggressiver Wespen? Fliegt irgendwo eine Drohne?

Nein, es nähert sich eine Gruppe E-Biker. Präziser formuliert, E-Mountainbiker. Diese fieseste Gattung der motorisierten Radfahrer, die seit ein paar Jahren am Berg zu finden ist und die einem die Lächerlichkeit des eigenen Tuns - auf dem Bike ohne E - gar so deutlich vor Augen führt. Zusammen mit der Erbärmlichkeit der eigenen Fitness. Das Surren wächst sich zu einem gestandenen Brummen aus. Stimmen erklingen, locker plaudernd ziehen die Herren mitsamt ihren gut genährten Bierbäuchen vorbei. Aus Richtung der Mountainbiker ohne E ertönt leises keuchendes Fluchen. Die Wanderer? Sie lachen - entweder die Radler mit oder die ohne Motor aus.

So geht es heute zu am Berg, und nicht nur dort. E-Citybikes, E-Rennräder, E-Downhiller, E-Einräder. Elektro-Antriebe wohin man sieht. Wo aber bleibt bei all dem E der E-hrgeiz? Wo der Stolz der jungen Leute, die neuerdings auch auf den Dingern die Berge hochstrampeln? Galt es nicht einst als schick, beim Bergsport zu schwitzen, sich zu schinden, mal leise, mal lauter sich selbst, den Berg, und das Vorhaben ganz generell zu verfluchen. Und waren am Gipfel oder auf der Hütte angekommen die Strapazen nicht schnell wieder vergessen, das Erlebnis am Berg aber gerade wegen der durchlittenen Qualen umso eindringlicher? Sowieso galt: Berg und Sportler waren spätestens unten angekommen wieder versöhnt, weil früher oder später aus jedem Anstieg eine Abfahrt wurde. Heute ist das alles anders. E-xtrem e-ntspannt, sagen dazu wohl die E-Mountainbiker.

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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