Mitten in Bernried:Segensreicher Klo-Ausschuss

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Wer nicht mehr weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis. In diesem Fall ist es ein Ausschuss. Ein Toiletten-Ausschuss

Von Sylvia Böhm-Haimerl

In öffentlichen Toiletten werden bekanntlich gerne Geschäfte gemacht: große Geschäfte, kleine Geschäfte und manchmal sogar halbseidene. Jeder kennt das stille Örtchen, jeder braucht es, auch wenn es dort nicht so still ist, wie der Name glauben machen will. Da so ein WC meist nicht gerade einladend ist, muss man sich überwinden und sich in der Nähe von Bahnhöfen oft sogar in hässliche, dreckige und stinkende Niederungen begeben. Aber was muss, das muss. Oder man muss es sich verkneifen - wie in Bernried.

Nicht nur Bahnkunden ärgern sich über die dortige Toiletten-freie Zone. Für einen Fremdenverkehrsort, der sich mit der Auszeichnung "schönstes Dorf Deutschlands" schmücken darf, ist das ein echtes Problem. Nun ist es nicht so, dass das Gold-Dorf dringend ein Notdurft-Häusl mit goldenen Wasserhähnen und Toilettenschüsseln bräuchte oder eine Designertoilette von Friedensreich Hundertwasser. Aber etwas Ansehnliches täte Bernried schon gut, die Kommune wäre ja nicht der erste Ort, der wegen des Geschäfts mit dem Geschäft das ganze Dorf spaltet. Und die Glanzzeiten der denkmalgeschützten Attraktionen aus der Jugendstilzeit sind schon lange vorbei. Die Beispiele für City-Toiletten von der Stange, die im Sitzungssaal des Gemeinderats an die Wand gebeamt wurden, waren jedenfalls beschämende Scheußlichkeiten, die das schönste Dorf Deutschlands so verschandeln würden, dass ihm der Titel entzogen werden könnte. Und erst die Kosten: Für einen hässlichen Betonplattenbau oder eine öde Plastikkiste gehen locker 100 000 Euro drauf.

Der Gemeinderat hat deshalb einen "Klo-Ausschuss" gegründet, der eine "Toilettenstrategie" entwickeln soll. Das ist kein Witz, oh nein, die Bernrieder meines es ernst. Beispielsweise müssen Vor- und Nachteile des richtigen Standorts abgewogen und analysiert werden. Denn ein Toilettenhäuschen muss gut erreichbar sein, darf aber auch nicht auf dem Präsentierteller liegen, weil der Gang zum Örtchen bekanntlich etwas sehr Privates ist. Es darf nicht auffallen, aber auch nicht zu versteckt liegen, wegen des Problems mit Rowdys. Wenn der "Klo-Ausschuss" in vielen Sitzungen jetzt tolle Ideen entwickelt, könnte das Häusl vielleicht sogar zu einer Touristenattraktion werden im schönsten Dorf Deutschlands. Und wenn nicht, gibt es wenigstens ein Klo.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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