Mitten in Andechs:Schlaflos am Heiligen Berg

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Warum die Welt ein Jammertal ist - und auch Schafe zählen nichts bringt

Von Astrid Becker

Arthur Schopenhauer war zweifelsohne ein recht intelligenter Kerl. Schon früh erkannte der Philosoph, dass die Welt ein einziges Jammertal ist. Und schuld daran ist der Mensch, oder besser gesagt, dessen Wille, der völlig grundlos existiert. Ähnlich verhält es sich übrigens auch mit dem Schlaf, der, laut Schopenhauer, für den Menschen das ist, "was das Aufzieh'n für die Uhr". Was aber passiert, wenn die Sache mit dem Aufziehen der Uhr nicht so recht klappen will? Der Mensch jammert. Und wenn der Mensch jammert, ist die Welt schlecht. Und wenn die Welt schlecht ist, landet der Mensch bei Schopenhauer - und zwar sogar der, der noch nie etwas von diesem Mann gehört, geschweige denn gelesen hat.

In diesen Tagen ist die Welt mal wieder besonders schlecht. Nicht wegen der Horrormeldungen aus allen möglichen Gegenden, bisweilen sogar aus Starnberg. Nein: Vollmond steht an - und mit ihm die Schlaflosigkeit. Es wird also wieder mal gejammert und Schäfchen gezählt. Völliger Unsinn. Kein Schaf würde so dumm sein und Menschen zählen, wenn es nicht schlafen kann. Wer das nicht glaubt, kann ja mal nach Andechs fahren. Dort gibt es viele Schafe. Mindestens 270.

So weit die Zählung der vergangenen Nacht. Weiter kam die Autorin nicht, weil ihr dann andere Dinge in den Sinn kamen, die bis zum nächsten Morgen zu Ende gedacht werden mussten. Zugegeben: Das war falsch. Vor allem in Andechs. Einem Ort, an dem die Menschen schon immer genau wussten, wie mit Schlafstörungen umzugehen ist. So pilgerten die einen gern zur Elisabethquelle am Heiligen Berg. Ihr Wasser soll Heilkraft besitzen und die Nerven beruhigen. Wieder andere, vornehmlich Frauen, sollen sich auf den Wiesen der Erlinger Höhe getroffen haben und hüllenlos durchs Grün getanzt sein. In den 1960ern meldeten sich gar mehrere hundert Freiwillige, die sich monatelang in einen Bunker zurückgezogen haben, damit Verhaltensforscher an ihnen die innere Uhr des Menschen untersuchen. Diese Probanden kamen wochenlang ohne Tageslicht, Fernsehen und Bücher aus. Sogar ohne Schopenhauer. Und ohne Schafe. Auch wenn letzteres bis heute nicht erwiesen ist.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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