Mitten im Rathaus:Kein Ausweis, keine Stimme

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Ein Volksbegehren wie das zur Bienen-Rettung ist ein großartiges Bürgerrecht - wenn da nur diese Bürgerpflichten nicht wären

Kolumne von Alexandra Vettori

Bürgerrechte sind eine feine Sache, gerade kann man davon Gebrauch machen, ein Volksbegehren läuft. Bienen retten mit einer Unterschrift, das freut das Gewissen. Weniger erfreulich ist es, wenn das Bürgerrecht einher geht mit Bürgerpflicht. Der zum Beispiel, über ein gültiges Ausweisdokument zu verfügen.

Die Erkenntnis, dass dem nicht so ist, kommt plötzlich. Klar, irgendwann war da mal ein Erinnerungsschreiben der heimischen Gemeinde. Aber für den neuen Ausweis mussten neue Passbilder her, und die sollten ansehnlich sein, für die Dame reiferen Alters eine gewisse Herausforderung, denn für schöne Fotos braucht es einen schönen Tag. Und der muss auch noch ein freier Tag sein. So verging die Zeit.

Nun aber muss es schnell gehen, die Eintragungsfrist für die Bienenrettung beträgt nur zwei Wochen. Ein Anruf im Rathaus: ohne Ausweis keine Eintragung. Bearbeitungsdauer: auf jeden Fall länger als die Eintragungsfrist. Also weg mit dem Anspruch, auf einen schönen Tag zu warten, nur frei muss er sein. Genau an diesem freien Tag aber hat auch die einzige Fotografin der Heimatgemeinde ihren freien Tag - und das Rathaus nur bis 12 Uhr geöffnet. Also flugs zum Fotografen in den Nachbarort. 10.30 Uhr. Es werde ein wenig dauern, sagt der gute Mann, bis frau an der Reihe sei, und dann noch mal eine halbe Stunde, bis die Fotos fertig seien. Eine Stunde später sitzt die säumige Bürgerin mit, nun ja, aktuellen Passbildern, kleinlaut im Einwohnermeldeamt, die Uhr zeigt 11.35.

Und dann geht alles ganz einfach, ein vorläufiger Ausweis für das Volksbegehren kostet nur zehn Euro extra, ein neuer ist beantragt. Glücklich schreitet die Bürgerin von dannen. Ein paar Tage später kommt ein Brief vom Landratsamt, der Hinweis auf die begangene Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das Personalausweisgesetz, wonach der brave Bürger stets einen gültigen Ausweis haben sollte. Stellung soll dazu genommen werden, ein Bußgeld wird angekündigt, dessen Höhe aber nicht. Google hilft weiter: Laut Gesetz darf die Strafe 5000 Euro nicht überschreiten.

© SZ vom 06.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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