Mitten im Landkreis:Zurück aus dem Winterversteck

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Noch ist der Gesang der Vögel sehr verhalten. Bald aber werden sie wieder trällern

Kolumne von Wolfgang Schäl

Das den Frühlingsanfang betrifft, so gibt es ein zuverlässiges, über den Papierkalender hinaus weisendes Anzeichen, demzufolge der Winter bald auch im wirklichen Leben vorbei ist. Es ist das schüchterne, von den ersten warmen Sonnenstrahlen begleitete leise Frühlingspiepsen, das von nirgendwo und irgendwo her ertönt. Schon während der kalten Jahreszeit haben wir uns immer gefragt, wo all die Vögel waren, die sich nicht in den warmen Süden abgesetzt hatten. In den kahlen Bäumen hat man sie nicht sitzen sehen, da wären sie uns doch aufgefallen. Vielleicht haben sie sich ja auch zu den Igeln unter die Laubhaufen gesellt.

Aber das wäre eine schlechte Winterruhe gewesen. Denn Igel schnarchen, haben Flöhe, und ihr stachliger Schlafanzug eignet sich überhaupt nicht zum winterlichen Rankuscheln. Daheim am Balkon, unterm Dachgebälk, gewiss, da wäre Platz gewesen, um sich in aller Ruhe aufzuplustern, aber bitteschön, kein Vogel weit und breit, unser Meisenknödel ist seit Monaten unberührt. Und am Boden haben sie bestimmt auch nicht gesessen, denn da schleichen die Siedlungskatzen herum und haben Böses im Sinn. Selbst bei den Schwänen, Enten und Haubentauchern waren sie nicht, denn die müssen im Winter selber schauen, dass ihnen nicht die Füße festfrieren.

Wir stellen somit fest, dass es da ornithologischen Erklärungsbedarf gibt. Unsere leider schwer beweisbare Theorie geht dahin, dass es irgendwo eine unentdeckte zentrale Wärmestube für daheimbleibende Singvögel gibt, mit beheizten Dachbalken und täglicher Wurmausgabe, vielleicht in Wohngemeinschaft mit den Fledermäusen. Aber wo die sein könnte? Wir wollen es gar nicht so genau wissen. Wir sind einfach nur froh, wenn sie bald alle wieder vollzählig da sind, wenn sie mit Sang und Schalle einmarschieren, wie es im Volkslied heißt, wenn sie pfeifen, zwitschern, tirilieren und uns ein frohes Jahr mit lauter Heil und Segen wünschen.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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