Mitten am Strand:Majestät lassen bitten

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Schwäne und Sonnenanbeter haben es manchmal nicht leicht - schon gar nicht, wenn sie aufeinandertreffen

Von Benjamin Engel

Der Schwan hat eine janusköpfige Aura. Für die einen sind die weiß gefiederten Tiere mit den elegant geschwungenen, langen Hälsen majestätische Geschöpfe. Andere beschleicht beim Auftauchen eines Exemplars eine gewisse Beklommenheit. Denn wenn Schwäne gereizt werden oder sich bedroht fühlen, können sie ganz schön wild werden. Dann zischen sie bedrohlich, schlagen mit ihren weiten Flügelschwingen und gehen mit gestrecktem Hals in den Angriffsmodus.

Zu den ausdrücklichen Bewunderern der Schwäne zählte der bayerische "Märchenkönig" Ludwig II. Das hing wohl auch damit zusammen, dass ihn die Opern von Richard Wagner faszinierten. Der Komponist hatte in einem seiner Werke die Sage um den Schwanenritter Lohengrin aufgegriffen. Um König Ludwig war es jedenfalls geschehen. Für Wagners Briefe besaß er eine Brieftasche aus blauem Seidensamt mit einem silbergestickten Schwan samt Goldkrone darauf. In den Schlössern taucht der Schwan häufig als Motiv auf bei Gemälden, Kronleuchtern oder im Porzellan.

In der Realität ist solch majestätischer Zauber manchmal schnell verschwunden. Kürzlich taucht ein einzelner Schwan vor einer privaten Badeanstalt am Starnberger See auf. Langsam watschelt er Stufe um Stufe die Steintreppe vom Wasser bis zur Liegewiese hinauf - und faucht erst einmal. Das genügt: Ein Badegast nimmt sofort Reißaus. Um den Schwan wieder in den See zu locken, hat eine Frau eine Idee. Sie wirft zwei größere Brezen-Stücke ins Wasser und spricht zum Schwan "Da, schau, komm' dorthin".

Das Tier zeigt sich zunächst unbeeindruckt, selbst noch als ein weiterer Gast das Badetuch wie ein Torero schwingt. Doch schließlich lässt sich der Schwan von ganz allein vom Steg in den See plumpsen. Dort kaut er minutenlang an den alten, anfangs steinharten Brezenstücken. Maue Zeiten für das Geschöpf der Könige.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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