Lesung:Frei von aller Bayerntümelei

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Wowo Habdank ist am Starnberger See aufgewachsen. Auch er liest in der neuen Reihe. (Foto: Georgine Treybal)

Die "Heilige Nacht" mit dem Duo Habdank und Keglmaier

Von Katja Sebald, Berg

Es ist Advent, jeder eilt und rennt, muss Jahresabschlüsse machen und Geschenke rankarren, Weihnachtsfeiern und Glühweinräusche durchstehen. Wer soll da ausgerechnet für eine "Heilige Nacht" Zeit haben? Erstaunlich viele: Mehr als hundert Besucher hatten sich am Sonntagabend im Aufkirchner Gasthof zur Post eingefunden, um dem Schauspieler Wowo Habdank und der Musikerin Evi Keglmaier mit der "Heiligen Nacht" von Ludwig Thoma zuzuhören. Eingeladen hatte die Berger Wählergemeinschaft "QUH", die spätestens mit dieser "Quhltur"-Veranstaltung ihr Ziel erreicht hat: das Berger Publikum wieder für regionale Kultur zu begeistern.

Geht das heutzutage überhaupt noch, die "Heilige Nacht" von Ludwig Thoma zu lesen? Nicht nur wegen des Autors, dessen antisemitische Hetzartikel sein Werk überschatten. Nein, auch wegen des Stücks, das als Vorweihnachtsfolklore so oft und so heftig verkitscht wurde wie kaum ein anderes.

Doch: Es geht, und wie! Das liegt nun zum einen am Text selbst, über den schon Oskar Maria Graf schrieb, er sei "so menschlich und geheimnisvoll, als wär es etwas, das jedem von uns geschehen könnte". Thoma verlegte die Weihnachtsgeschichte in die winterliche Voralpenlandschaft. Er lässt Maria und Joseph durch tief verschneite Wälder "vo Nazareth hint auf Bethlehem nei roasn", um sich auf dem "Rentamt" einzuschreiben. Es ist nicht weniger als ein Überlebenskampf, den die hochschwangere Frau durchstehen muss. Sie werden von reichen und hartherzigen Menschen abgewiesen, bis ihnen schließlich einer, der selbst die Armut kennt, ein Nachtlager im Stall bei Ochs und Esel anbietet. Auch diese Weihnachtsgeschichte, wie sie Thoma aufschrieb, ist schon gut hundert Jahre alt - aber sie könnte sich auch heute noch zutragen: Welches Berger Haus würde sich dann wohl an einem Winterabend öffnen für ein etwas zerlumptes und ausgehungertes Paar, die Frau kurz vor der Entbindung? Wer hätte für so was Zeit in dem ganzem Weihnachtsstress?

Es liegt aber auch und vor allem an Wowo Habdank, der sich selbst nicht wichtig nimmt, sondern völlig hinter dem Text zurücktritt und ihn eigentlich einfach nur vorliest. Er hat ihn unwesentlich gekürzt und hier oder da ein kleines Wort verändert, weil er es als "Native Speaker" eines schönen Gassenbuben-Dialekts so nicht sagen würde. Und doch hat er ihm alle Bayerntümelei, alle Glühweinsüßlichkeit abgewaschen und ihn mit seiner so unprätentiösen wie feinsinnigen Vortragsweise zu einem ebenso zeithistorischen wie zeitlosen Kunstwerk gemacht.

Und es liegt nicht zuletzt an der wunderbaren Evi Keglmaier an seiner Seite. Die Münchner Musikerin macht als Tubistin mit der legendären Hochzeitskapelle Furore und in jüngster Zeit auch mit ihrem bei Trikont erschienenen Solo-Album. Beim Auftritt in Aufkirchen hat die Multi-Instrumentalistin nur ihre Bratsche dabei, ihre Stimme setzt sie zuweilen wie ein zweites Instrument ein. Soul und Seele legt sie in "Im Wald ist's so staad" ebenso wie in "Ich steh an deiner Krippen hier", von jeglicher Art von Weihnachtskitsch ist sie dabei so weit wie nur möglich entfernt.

Textvortrag und Musik greifen fein ineinander, man möchte kaum glauben, dass Habdank und Keglmaier in Aufkirchen zum ersten Mal mit demProgramm auftreten - und wünscht ihnen noch viele gemeinsame Auftritte.

© SZ vom 10.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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