Kommentar zum Starnberger Stadtrat:Vertagt und verschoben

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Stadtverwaltung und Stadtrat schieben eine Bugwelle an Unerledigtem vor sich her - dabei liegt die Lösung so nah

Von Peter Haacke

Selten genug, dass CSU, SPD, Grüne, und Freie Wähler sich einig sind - und das in Zeiten des Wahlkampfs in Bayern, bei dem man dem politischen Gegner nicht einmal die Butter auf dem Brot zu gönnen scheint. Doch in Starnberg ticken die Uhren anders. In seltener Harmonie kämpfen die Mandatsträger des Stadtrats fraktionsübergreifend um ihre Rechte, wehren sich gegen Sitzungen im XXL-Format, die zumeist bis Mitternacht, oft genug aber auch länger dauern. Und sie verlangen Information über Entscheidungen der Bürgermeisterin, die sie zunehmend und ohne jegliche Beteiligung des Stadtrats als dringliche Anordnung treffe.

Das Missverhältnis in der Zusammenarbeit zwischen Eva John und einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Stadtrats ist offenkundig. In der Kritik stehen spontan anberaumte oder verlegte Sitzungen, überbordende Tagesordnungen, unzureichende oder zu spät vorgelegte Beschlussvorlagen, fehlende Information sowie unzureichende Dokumentation. Erneut mahnten die Stadträte in der jüngsten Sitzung ausstehende Protokolle an: Seit April fehlen die Niederschriften der Tonbandprotokolle. Kaum jemand weiß noch, was das Gremium beschlossen hat. Hinzu kommt eine Vielzahl von Beschlüssen, die sowohl von Stadtrat als auch Bürgermeisterin bei der Kommunalen Rechtsaufsicht beanstandet werden. Und auf die Stadtverwaltung wächst der Druck: Wichtige Posten sind seit Monaten unbesetzt, John vollzieht derweil einen personellen Umbau.

Die Folgen sind fatal. Seit Monaten werden Anträge auf die lange Bank geschoben, Tagesordnungen gekürzt, unwichtig scheinende Themen verschoben und wichtigere unter eklatantem Zeitdruck oft genug einfach durchgewunken. Eine verantwortungsvolle Beschäftigung mit den Dingen sieht anders aus. Der Stadtrat stieg am Montag angesichts einer Tagesordnung mit 24 Punkten erneut auf die Bremse: Mit einfacher Mehrheit wurde das Programm abgespeckt. Auf der Strecke blieben die Rechnungsprüfung zum Wasserpark, eine Satzung über Bürgerversammlungen oder der Bau eines Parkdecks am Landratsamt.

Doch selbst das Restprogramm konnte nicht bewältigt werden. Nach fünfeinhalb Stunden endete die Sitzung um Mitternacht. Die Bugwelle an Unerledigtem, die Verwaltung und Stadtrat mittlerweile vor sich herschieben, wird somit noch höher. Dabei scheint es so einfach zu sein, den Druck zu mindern: Durch alle 14 Tage stattfindende Sitzungen des Stadtrats, bis die Arbeit endlich erledigt ist. Doch das muss auch politisch gewollt sein.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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