Kommentar zum Seetunnel:Abwegige Idee

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Der Stadtrat beschäftigt sich mit der Utopie eines Bahnhofs, die mindestens 500 Millionen Euro kostet. Dabei kann die Stadt schon das aktuelle 100-Millionen-Projekt zur Seeanbindung nicht stemmen

Von Peter Haacke

Starnberg, die Seeanbindung und die Deutsche Bahn: Seit 30 Jahren ist das ein heiß diskutiertes Thema, das Kommunalpolitiker wie Öffentlichkeit gleichermaßen beschäftigt. Als Kreisstadt und Staatskonzern 1987 einen Vertrag schlossen, schien alles klar: Starnberg baut den Bahnhof Nord und erhält dafür alle von der Bahn nicht mehr benötigten Grundstücke am See. Steter Streitpunkt aber blieb die Vereinbarung, auch die Gleise am See auf Kosten der Stadt zu verlegen - ein Umstand, der insbesondere Fantasien von Architekten, Ingenieuren und Planern beflügelte. Die einen träumten von einer "Golden Gate Bridge", andere favorisierten einen Seetunnel, in dem auch der Autodurchgangsverkehr verschwinden könnte.

Allerdings fällte der Stadtrat schon 2003 aus Kostengründen die Entscheidung zugunsten einer oberirdischen Lösung. Mit Hochdruck versuchte Altbürgermeister Ferdinand Pfaffinger etwas voranzubringen. Es folgten Sitzungen, Runde Tische, Workshops, Bürgerinformationen, Arbeitskreise, Expertenanhörungen, Architektenwettbewerbe und vieles mehr. Doch mit Amtsübernahme von Eva John passierte nichts mehr: Das Thema landete in der Schublade.

Was nun kommt, ist ungewiss. Bürgermeisterin John hat bislang offenkundig sämtliche Aufträge des Stadtrats in dieser Angelegenheit ignoriert und dem Stadtrat Informationen vorenthalten. Eine Lösung zur Seeanbindung ist bislang nicht in Sicht, doch die Zeit drängt: Der Vertrag läuft am 31. Dezember ab. Im Vordergrund stehen derzeit lediglich vage Forderungen nach Barrierefreiheit und überdachten Bahnsteigen unter Verzicht der Gleisverlegung. Warum nun ausgerechnet im Projektausschuss wieder die abwegige und vermutlich mehr als 500 Millionen Euro teure Utopie eines Seetunnels für Bahn und Autos präsentiert wird, ist allein Johns Geheimnis.

Wohlgemerkt: Aktuell geht es um ein 100-Millionen-Projekt. Die Stadt hat sich für zahlungsunfähig erklärt, die Bahn hält sich bedeckt. Man darf also gespannt sein, wie es weitergeht. Verhandlungen? Fristverlängerung? Schadenersatzklage? Jetzt ist die Bahn am Zug und muss, ebenso wie der Stadtrat, endlich Rahmenbedingungen für ein konstruktives Vorgehen festlegen.

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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