Kommentar:Umdenken dank Stau

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Es ist ärgerlich, wenn nichts vorangeht, kann aber auch ein Anstoß sein, aufs Auto zu verzichten

Von Michael Berzl

Natürlich ist das ärgerlich, was den Gautingern wegen der Bauarbeiten an einer Gasleitung nun wieder bevorsteht. Eine verstopfte Ortsdurchfahrt, Wartezeiten, kein flottes Durchkommen. Für die Autofahrer jedenfalls. Allerdings könnte die Zwangspause auch einen positiven Lerneffekt haben, der anders kaum zu erzielen ist.

Viele schwärmen doch heute noch vom autofreien Sonntag während der Ölkrise in den Siebzigerjahren. Was sie da alles unternommen haben, wie sie mit dem Fahrrad die Gegend erkundet haben, wie die Kinder auf der Straße gespielt haben; selbst auf Autobahnen waren damals Ausflügler unterwegs. Ein Tag Zwangspause, ein Tag innehalten, der einem in der Erinnerung vorkommt wie ein Feiertag. So funktioniert das. Besser jedenfalls als alle Appelle. Zudem besagen regelmäßig Untersuchungen in verschiedenen Orten des Landkreises, dass die Verkehrsprobleme hausgemacht sind.

Das gute Gewissen spielt oft eine kleinere Rolle bei der Entscheidung zwischen Auto, Fahrrad oder S-Bahn als das schiere Abwägen zwischen Vor- und Nachteilen. Wer hat sich noch nicht gesagt, dass er lieber öffentlich zum Theater fährt, weil in München eh kein Parkplatz zu finden ist, dass er es trotz allen Ärgers wieder einmal mit der S-Bahn versucht, weil im Berufsverkehr auf dem Mittleren Ring kein Vorankommen ist?

So funktioniert es im günstigen Fall in den kommenden Wochen auch in Gauting. Autofahrer dürften ins Grübeln kommen, wenn sie beim Stopp-and-Go zwischen August-Hörmann-Platz und Bahnhofstraße von Fußgängern überholt werden. Schüler könnten herausfinden, dass der Campus sogar von Buchendorf aus mit dem Fahrrad zu erreichen ist. Murrend, aber dann doch versucht vielleicht der eine oder andere Staugeplagte, ohne seinen fahrbaren Untersatz seine Einkäufe zu erledigen.

Der Baustellenstau könnte so zumindest vorübergehend mehr bewirken als jedes Stadt-Radeln, jeder Umweltaktionstag, jeder gut gemeinte Appell.

© SZ vom 11.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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