Kommentar:Starnberger Tollhaus

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Die jüngste Sitzung des Stadtrats wirkt verstörend - bei Besuchern wie bei Beteiligten

Von Peter Haacke

Eine der wohl denkwürdigsten Sitzungen in der Historie des Starnberger Stadtrates ist am Montagabend zu später Stunde in der Schlossberghalle zu Ende gegangen. Und soviel sei vorweg genommen: Es war kein Glanzlicht politischer Kultur, das da leuchtete - ganz im Gegenteil. Bürgermeisterin Eva John offenbarte beim "Leuchtturmprojekt" barrierefreier Aufzug am Centrum einmal mehr ihren Unwillen zur Kommunikation, ihr Desinteresse, konsensfähige Lösungen zu kreieren, und ihre Uneinsichtigkeit, illusorisches Wunschdenken aus der Realpolitik zu verbannen. Die bitterste Erkenntnis aber ist, dass sich Starnbergs Repräsentantin beim Thema Verkehr erneut vor den Karren der "Wählergemeinschaft pro Starnberg" spannen ließ - im Namen und zum Schaden der Stadt. Ganz nebenher verlor John zwischenzeitlich ihre Leitungsfunktion im wichtigsten Gremium der Stadt und ignorierte mehrfach Anträge zur Geschäftsordnung. Der Stadtrat - ein Tollhaus.

Wer das Prozedere zur Stellungnahme der Stadt zum öffentlichen Beteiligungsverfahren am Entwurf des Bundesverkehrswegeplans verfolgte, nimmt einen verstörenden Eindruck mit: Zwei Papiere wurden zur Abstimmung gestellt - eines von der WPS, ein zweites von CSU, UWG, SPD und Grünen. Eine eigene Vorlage der Stadtverwaltung gab es nicht. Die Entwürfe aber hatte das Rathaus erst am Montagvormittag nur wenige Stunden vor der Entscheidung an die 30 Stadträte verschickt - für einige Mitglieder viel zu spät. Als gegen 23 Uhr die Beratung begann, wusste manch einer noch nicht einmal, über was er nun inhaltlich befinden sollte. Walter Jann (BLS) forderte vergeblich, besser gar keinen Entwurf nach Berlin zu schicken, Stefan Frey (CSU) plädierte dafür, beide Papiere zu versenden. Der stellvertretende Landrat Tim Weidner (SPD) indes verließ zutiefst gekränkt den Saal, die Grünen verweigerten die Abstimmung und verlangten nach einer Ordnungsstrafe, Jürgen Busse (UWG) konstatierte eine Peinlichkeit für die Stadt. Am Ende ließ John ("Ist ja auch wurscht") dennoch abstimmen - und erzielte, wie erwartet, ein Ergebnis zugunsten des WPS-Entwurfs mit unbekanntem Inhalt.

Nach Meinung vieler Beobachter geht John angeschlagen und schwer beschädigt aus dieser schlecht vorbereiteten Sitzung, die als Realsatire ein klägliches, aber sehr authentisches Bild der Starnberger Politikverhältnisse darstellt.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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