Kommentar:Richtiges Ziel, falsche Fragen

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Von einer echten Lösung ihrer Verkehrsprobleme ist die Kreisstadt Starnberg weit entfernt

Von Peter Haacke

Willkommen in Starnberg, im Reich der ungeklärten Möglichkeiten. Wo der Jammer über die Verkehrsbelastung groß ist und der tägliche Stau die natürliche Strafe fürs Autofahren bleibt. Wo man von Umfahrungs-Korridoren, Trassen und Begegnungszonen träumt, auf gigantische Verkehrsverlagerungen hofft und unverdrossen auf Realisierbarkeitsstudien setzt, von denen es ja schon einige gibt.

Doch ein Tunnel? Nein, das muss nicht sein. Auch wenn die Röhre geplant, genehmigt und voraussichtlich sogar bezahlt wäre vom Bund. 160 bis 200 Millionen Euro - pah, das bestreiten die Starnberger lieber selbst aus ihrer üppig bestückten eigenen Kasse für eine - oder besser - sogar gleich zwei Umfahrungen, von denen noch immer völlig unklar ist, ob und wann sie machbar sind.

Schöne neue Welt. Davon träumen sie im Rathaus und bei der Umfahrungsallianz aus WPS, BMS, FDP und BLS. Doch ganz so leicht wird es nicht gehen - unabhängig davon, was eine knappe Mehrheit im Stadtrat beschließt, die unverdrossen nach dem Motto verfährt: "Was ich haben will, das krieg' ich nicht. Und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht." Jüngster Clou der Anti-Tunnel-Fraktionen: Auf Antrag der WPS soll der Stadtrat beschließen, "alle zustimmenden Beschlüsse des Stadtrats zum planfestgestellten B2-Entlastungstunnel auszusetzen", bis eventuell eine Lösung des leidigen Verkehrsproblems vorliegt. Zwar hat der Beschluss rechtlich keinerlei Wirkung, zumal ein kommunales Gremium keinen Planfeststellungsbeschluss des Bundes aufheben kann. Doch nach Lesart der WPS herrscht nun "Waffengleichheit" mit den Befürwortern des Tunnels in einer Auseinandersetzung, die auf Außenstehende nur noch absurd wirkt. Dabei sollte doch ein gemeinsames Ziel vorherrschen: Die Entlastung der Kreisstadt von Verkehr.

Es ist richtig, alle Lösungen für eine richtige Entscheidung zu prüfen. Dazu müsste man jedoch den Mut haben, die richtigen Fragen zu stellen. Doch davon ist Starnberg noch weit entfernt. Lieber verliert man sich in hypothetischen Prognoseszenarien und nährt wenig konkrete Illusionen. Egal, ob ortsfern, ortsnah, innen oder außen: Hauptsache Umfahrung! Früher oder später wird die Realität Starnbergs Entscheidungsträger einholen. Merke: Es ist nicht schlimm in die falsche Richtung gegangen zu sein; man muss nur den Mut haben umzukehren. Und: Es gibt kein Recht auf Verantwortungslosigkeit.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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