Kommentar:Kümmerer gesucht

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Klagen hilft nicht, Firmen müssen ihren Azubis helfen

Von Otto Fritscher

Wenn man hiesigen Unternehmern und Geschäftsleuten glauben darf, dann ist "Work-life-balance" ein Wort, das nicht nur diejenigen verwenden, die mitten im Berufsleben stehen und sich jeden Tag mehr oder weniger abmühen. Gerade jungen Leuten ist es zunehmend wichtig, eine Ausbildung zu finden oder eine Arbeit zu haben, die sie nicht auffrisst, ihnen noch Luft und Kraft für Freizeit und Feiern lässt. Das mag man gut finden oder auch nicht. Es ist aber auf jeden Fall Aufgabe der Unternehmen, Ausbildung und Arbeitsalltag so zu gestalten, dass er gerade von den Neulingen, den Azubis, als sinnhaltig empfunden wird.

Auf der anderen Seite kann man die Klagen über mangelnde soziale Kompetenz, schlechte Deutsch- und Mathematikkenntnisse etlicher Bewerber durchaus nachvollziehen. Hier hat, ganz klar, vor allem das Elternhaus bei der Erziehung versagt. Doch Klagen allein hilft da nichts, den jungen Leuten muss während der Ausbildung, also in der Firma und während der Arbeitszeit, auf die Sprünge geholfen werden.

Manche Firmen haben dies erkannt, kümmern sich das ganze Jahr über darum, dass die Azubis nicht nur die erforderlichen fachlichen Kenntnisse bekommen, sondern geben quasi Nachhilfe in Benehmen, Kundenorientierung und Servicequalität. Es mag banal klingen, jungen Leuten klar zu machen, dass das Privathandy während der Arbeitszeit Pause hat oder dass man nicht mit Dreckschuhen das Wohnzimmer des Kunden betritt. Auf der anderen Seite bieten sie den Neulingen "coole Sachen" wie ein Mittagsessen in einem angesagten Schuppen, Ausflüge oder auch gleich einen ganzen Azubi-Tag mit viel Tamtam, wie neulich im Undosa ein Bullettenbrater.

Denn Kundenbindung ist das eine, die neuen Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, das ist das andere. Nur wenn dies gelingt, werden die Betriebe im Landkreis auch in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels ausreichend qualifizierte Mitarbeiter haben, indem sie sie selbst ausbilden. Und natürlich müssen sich die Unternehmen öffnen, von sich aus in die Schulen, zu Infotagen und zu Messen gehen. Und am "Tag der Ausbildung" am Buß- und Bettag mitmachen, das ist ohnehin eigentlich Pflicht. Firmenchefs, die sagen, für so etwas hätten sie keine Zeit, verschlafen die Gegenwart und setzen die Zukunft der Firma aufs Spiel.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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