Kommentar:Harter Schnitt

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Die Starnberger Tafel befindet sich in einer verzwickten Situation

Von Otto Fritscher

Es ist eine verzwickte Situation, in der sich die Starnberger Tafel befindet. Denn die Anzahl der Menschen, die sich gespendete Lebensmittel holen, hat sich binnen der letzten Monate mehr als verdoppelt. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen der starke Zustrom von Asylbewerbern, der unvermindert anhält. Und dann der offenbar grassierende Tafel-Tourismus, der immer mehr um sich greift. Man holt sich, so viel man eben bekommt - egal wo.

Klar, dass es für Unmut sorgt, wenn etwa, wie neulich, fast die Hälfte aller Menschen, die sich bei der Starnberger Tafel Lebensmittel holen, eigens aus Feldafing angefahren kommt. Wo es nicht nur etwa 100 Flüchtlinge, sondern auch eine eigene Tafel samt gut funktionierendem Helferkreis gibt.

Die Starnberger Tafel hat nun einen harten Schnitt gemacht, wird künftig nur noch Bedürftige aus der Kreisstadt an die Lebensmitteltische lassen. Eine drastische, aber richtige Entscheidung. Denn der Wohnort ist das einzig objektiv nachvollziehbare und politisch korrekte Auswahlkriterium. Trotzdem ist das für die Tafel und ihre Helfer eine schmerzliche Entscheidung. Denn damit ist der eherne Grundsatz vom Tisch, der seit der Gründung vor 17 Jahren galt: jedem, der seine Hilfsbedürftig nachweisen kann, zu helfen, egal, woher er kommt.

Damit bleibt auch ein Großteil jener außen vor, die als ominöse Interessenvertretung "Starnberger Tafelfreunde" vor einer Woche einen Brandbrief, geschrieben hat. Der war allerdings von einem Münchner unterzeichnet, und mehr als die Hälfte der anderen gut 30 Unterzeichner kommt auch nicht aus Starnberg. Es hatte sich einfach eingebürgert, dass Münchner zur Tafel nach Starnberg kommen, obwohl es fast 30 Tafeln in der Landeshauptstadt gibt.

Auf einem anderen Blatt steht, dass die Lebensmittelspenden an die Tafel nicht nur in Starnberg kontinuierlich zurückgehen. Bislang hat sich die Tafel ausschließlich über private Spenden finanziert. Wenn das nicht mehr reicht, sind jetzt die öffentlichen Hände, in diesem Fall die Stadt Starnberg, aufgefordert zu helfen, schnell und unbürokratisch.

Und die Helfer der Tafel selbst? Es ist keine leichte Aufgabe für die Ehrenamtlichen, den Überblick zu behalten und in konfliktträchtigen Situationen die Ruhe zu bewahren. Zu solchen wird es kommen, wenn künftig Menschen an der Tafel abgewiesen werden müssen. Fingerspitzengefühl ist wohl die einzige Möglichkeit, eine Eskalation zu vermeiden.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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